Voids in flächigen Lötverbindungen – Teil 1

Florian Störmer
|  Erstellt: Dezember 26, 2019  |  Aktualisiert am: Mai 15, 2020

Die Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT) in der Elektronikindustrie des 21. Jahrhunderts muss sich ständig neuen Herausforderungen stellen. Bei der Entstehung neuer, innovativer, technischer Produkte, wird sich mit steigender Tendenz an den Grundmotiven der Miniaturisierung, Wirkungsgraderhöhung und Leistungssteigerung orientiert. Sicherlich wird der Trend zu immer höheren Integrationsdichten und immer höheren Leistungen vom Anwender als sehr positiv angesehen. Diese Vorstellung von moderner Technik sorgt jedoch für ständige Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der AVT, da die genannten Grundmotive unter anderem von dieser stark beeinflusst werden. Die Leistungssteigerung eines Bauelements ist jedoch begrenzt durch die im Betrieb entstehenden elektrischen Verluste und dem damit verbundenen Anstieg der Betriebstemperatur. Diese beeinflusst nicht nur die Eigenschaften der Baugruppe, sondern ebenso die der elektrischen Verbindungen auf der Baugruppe. Speziell im Bereich der Automobilindustrie und Leistungselektronik werden die Ansprüche immer höher. Die Entwicklung der Elektromobilität hält dauerhaft an und immer leistungsfähigere Steuerelektronik in Hybrid- und Elektroautos verlangt nach neuen Möglichkeiten der AVT.

In diesem Bereich, bei dem vorrangig von Hochtemperaturelektronik gesprochen wird, steigt die Bedarfsverteilung stetig an. Laut des Instituts für Technik & Markt Strategien (TMS) ist die jährliche Wachstumsrate der Leistungselektronik im Automobilsektor mit 15,5 % der am stärksten wachsende Markt. Der Grund dafür liegt nicht zwangsweise in der Entwicklung von Elektroautos, sondern ebenso in der Neugestaltung oder Erweiterung von bestehenden mechanischen Systemen, in mechatronische Systeme. Ein wesentlicher Aspekt, den steigenden Betriebstemperaturen entgegenzuwirken, besteht in der Bereitstellung von guten, thermischen sowie elektrischen Eigenschaften der Leistungs-Komponente. Einen großen Betrag leistet dabei die Verbindung des Bauelements zum Substratmaterial, da über diese Verbindung ein Teil der hohen Temperaturen während des Einsatzes mittels Wärmeleitung abgeführt wird. Je besser die Wärmeleitung, desto mehr Wärme pro Zeiteinheit kann der Leistungskomponente entzogen werden. Gute Wärmeleitung ist bedingt durch eine große Querschnittsfläche, einen kurzen Wärmepfad sowie eine gute Wärmeleitfähigkeit. Einige Hinweise und Anregungen dazu sind in meinem Artikel „Wärmemanagement beim PCB-Design in der Leistungselektronik“ nachzulesen.

Einen hohen Stellenwert als eingesetzte Verbindungstechnik in der Elektronikbranche hat das Weichlöten. Doch gerade den steigenden Betriebstemperaturen und Ansprüchen bezüglich der Zuverlässigkeit können diese herkömmlichen Lötverbindungen nicht standhalten, was mit der homologen Temperatur und dem damit verbundenen kriechen des Lotes zusammenhängt. Ab einer homologen Temperatur von 0,4 laufen Vorgänge und Prozesse im Gefüge thermisch aktiviert ab. Dieser Prozess wird als Kriechen bezeichnet. Außerdem werden die Zuverlässigkeit sowie die Eigenschaften der Lötverbindung zusätzlich durch verschiedene Lötfehler, wie beispielsweise Gaseinschlüsse in der Verbindung, bedingt. Durch diese sogenannten Poren in der Verbindung wird die Querschnittsfläche und somit auch die Wärmeleitung und die elektrische Leitfähigkeit verringert. Auch die Höhe des Lotspalts und damit die Länge des Wärmepfads zählen zu den Eigenschaften, auf die durch Poren in der Lötverbindung Einfluss genommen wird.

Ähnliche Verfahren und Untersuchungen haben gezeigt, dass der Lötprozess mit Über- oder Unterdruck durchaus einen positiven Einfluss auf das Ergebnis der Lötverbindung haben kann. Diese bekannten Verfahren werden jedoch durch Nachteile geprägt, die einen konventionellen Einsatz in der Elektroindustrie noch schwierig gestalten. Beispielsweise ist die Erzeugung eines Vakuums mit einem hohen Kosten- sowie zusätzlichem Zeitaufwand verbunden.

 

Auf einen Lötfehler, der gerade für den Bereich der Leistungselektronik eine große Bedeutung hat, soll an dieser Stelle genauer eingegangen werden. Es handelt sich um Poren, die auch als Voids bezeichnet werden, die sich innerhalb der Lötverbindung befinden. Sie entstehen durch Ausgasungen der flüchtigen Bestandteile im Lot bzw. durch Fluss- und Lösungsmittelausgasungen vorzugsweise im Zuge der thermischen Erstarrung bei der Abkühlung. Diese Annahme wird durch Untersuchungen gestützt, bei denen das Lot vor dem Lötprozess getrocknet wurde, wodurch der Porenanteil signifikant reduziert werden konnte. Allerdings haben auch viele andere Prozessparameter einen Einfluss auf die Entstehung von Voids. Für eine bessere Vorstellung zeigt Abbildung 1 exemplarisch Poren in einer flächigen Lötverbindung, hier durch den Kontrast in der Lötverbindung sichtbar (hellere Stellen). Die gezeigte Lötverbindung wurde in einem Reflow-Lötprozess unter allgemein anerkannten Bedingungen hergestellt.

Abb. 1: 2D-Röntgenaufnahme einer flächigen Lötverbindung mit Gaseinschlüssen (Poren)

An dem Bild wird deutlich, dass die Poren zur Inhomogenität der Lötverbindung beitragen. Diese hat diverse negative Einflüsse auf die Qualität der Lötverbindung. Speziell in der Leistungselektronik treten große elektrische und thermische Ströme auf, welche durch schlechte thermische und elektrische Leitfähigkeit negativ beeinflusst werden. Durch die Poren ergibt sich oft eine lokale Konzentration von Wärme und Leistung, wodurch der thermische Widerstand vergrößert wird und sogenannte Hot Spots entstehen, die das Bauelement und sogar die ganze Baugruppe schädigen können. Neben der erhöhten Stromdichte an besagten stellen, kommt es ebenso zu einer erhöhten Elektromigration, die für steigende Ausfallwahrscheinlichkeiten verantwortlich sein kann. Aber noch ein Effekt macht das Auftreten von Poren problematisch: Gasblasen und Flüssigkeitseinschlüsse streben danach, möglichst kleine Oberflächen anzunehmen. Wenn jedoch viele dieser kleinen Gaseinschlüsse sich zu einer großen Pore verbinden, kann es beispielsweise zum lokalen Anheben bzw. zur Verkippung des Bauelementes kommen. Es entsteht ein keilförmiger Lotspalt, der wiederum für ungleichmäßige Verteilung von Wärme und Strömen sorgt. Abbildung 2 veranschaulicht die beschriebene Problematik.

Abb 2: Schematische Darstellung der Chipverkippung durch Poren in der Lötverbindung

Zusätzlich wird damit auch die Zuverlässigkeit der Lötverbindung negativ beeinflusst. Durch die unterschiedliche Lotspalthöhe erfährt die Lötverbindung unterschiedlich starke thermomechanische Belastungen, da geringe Lotspaltdicken die einzige Möglichkeit darstellen, den unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten entgegen zu wirken und für weniger Stress in der Lötverbindung sorgen. Durch diese zusätzlich auftretenden lokalen Spannungen können Risse in der Lötverbindung entstehen, was in einer Verminderung der Lebensdauer resultieren kann. Des Weiteren sorgen Gaseinschlüsse für verlorenes Lotvolumen, sodass sich Risse schneller in der Lötverbindung ausbilden können, was in einer Abnahme der Scherfestigkeit und damit der Zuverlässigkeit resultiert. Neben negativen thermischen und elektrischen Einflüssen besteht also ebenso ein negativer Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften.

Es gibt viele verschiedene Parameter, die auf die Voiddichte in Lötverbindungen einen Einfluss haben. Unter anderem hängt der Porenanteil als auch die Porengröße ab von:

  • Lotpastentyp (insbesondere Flussmittelchemie)
  • Oberfläche des Kontaktpads (Oxidschicht fördert Voidbildung)
  • Kombination Lotpaste - Oberfläche (eine gute Benetzung senkt das Voidrisiko)
  • Peaktemperatur (hohe Peak-Temperatur senkt Voidrisiko)
  • gedruckte Lotpastenhöhe (mehr reduziert Poren, weniger Kapillarkräfte)

Um der Pore ein Entweichen, also das Durchbrechen der Oberflächenspannung des flüssigen Lotes zu ermöglichen, muss der Umgebungsdruck, der bei rund 1 bar liegt, also um rund 900 mbar gesenkt werden. Zu diesem Zweck muss zum Beispiel ein Vakuum erzeugt werden. Es gibt allerdings Überlegungen, dass weniger der Absolutdruck, sondern eher die Druckdifferenz zwischen Pore und ihrer Umgebung entscheidend ist. Sollte das zutreffen, wäre es theoretisch möglich, die Druckwirkung umzukehren und mittels eines Überdruckes in der Pore, diese dazu zu bringen, die Oberflächenspannung des flüssigen Lotes zu durchbrechen und aus der Lötverbindung zu entweichen. Für diese Überlegungen gibt es derzeit erfolgsversprechende Versuche und Lösungsansätze, aber auch andere spezielle Verfahren, die der Porenbildung auf diese Weise entgegenwirken können. 

Über die diversen Verfahren und Lösungsansätze kann in Teil 2 dieses Artikels mehr erfahren werden.

Über den Autor / über die Autorin

Über den Autor / über die Autorin

Florian Störmer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Rostock beim Lehrstuhl für Leistungselektronik und elektrische Antriebe, wo er hauptsächlich das Schaltverhalten von Leistungshalbleitern mit unterschiedlichen Ansteuerverfahren untersucht.Zur Realisierung dieser entwickelt und designt er eigene Treiberplatinen, die den verschiedensten speziellen Ansprüchen gerecht werden müssen. Im Zuge seiner Untersuchungen hat er unter anderem mit Infineon und Siemens zusammengearbeitet.Dabei entstanden mehrere wissenschaftliche Arbeiten, die auf der führenden internationalen Fachmesse für Leistungselektronik, der PCIM Europe, veröffentlicht wurden.Florian Störmer is a research assistant at the Chair of Power Electronics and Electrical Drives at the University of Rostock, where he mainly investigates the switching behaviour of power semiconductors with different control methods.He develops and designs his own driver boards, which have to meet various special requirements. In the course of his investigations he has collaborated with Infineon and Siemens, among others.This resulted in several scientific papers that were published at the leading international conference for power electronics, PCIM Europe.

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