Judy Warner: Ich freue mich sehr über dieses Gespräch mit Ihnen, Mary Elizabeth! Bitte erzählen Sie uns etwas über Ihren Hintergrund, Ihre Ausbildung und darüber, warum Sie Elektronikentwicklung zu Ihrem Beruf gemacht haben.
Mary Elizabeth McCulloch: Wissenschaft und Mathematik lagen mir schon immer, und 2016 habe ich einen Abschluss in Biomedizin an der Penn State University gemacht. Meine Eltern haben mich beide sehr dazu ermuntert, mich weiter mit Technik zu beschäftigen. Mein Vater hat am College Physik studiert und ist heute Ingenieur. Er hat sich auf Elektronik und mechanisches Design für CNC-Steuerungssysteme spezialisiert. Meine Mutter ist Ingenieurin für Biomedizintechnik und hat an der Entwicklung künstlicher Herzen geforscht. Als Familie auf einem Bauernhof haben wir immer an irgendetwas gearbeitet und geschraubt. Während meiner Kindheit und Jugend war mein Vater immer sehr erfinderisch, er hat mich in seine Projekte einbezogen und mich herausgefordert. In meinem erweiterten Familienkreis gibt es einige Ärzte, und ich dachte immer, ich würde auch Ärztin werden. Später wurde mir klar, dass ich im Bereich Elektronik mehr für Menschen mit Behinderungen erreichen kann.
Arlyn Edelstein und Mary Elizabeth McCulloch
Warner: Mit welcher Art von Projekten haben Sie sich als Kind mit Ihrem Vater beschäftigt?
McCulloch: Ich habe als Kind immer an etwas gebastelt. Wenn ich eine Idee hatte, sagte mein Vater, „Lass es uns bauen!“ Wenn ich Blumen gemalt hatte, schlug er vor, diese auszuschneiden und damit mein Zimmer zu dekorieren. Wir kauften billige Teile auf Alibaba und machten kleine Erfindungen daraus. Ich wurde immer ermutigt, meine Komfortzone zu verlassen und beim Lösen von Problemen zu helfen.
Warner: Was hat Sie angeregt, Project Vive zu starten?
McCulloch: Ich war internationale Austauschstudentin, gefördert von Rotary. Spanisch war eine Herausforderung für mich, deshalb habe ich mich für Ecuador entschieden, um besser darin zu werden. Dort habe ich als Freiwillige über eine Kirchengruppe bei einem Camp für behinderte Kinder mitgeholfen. Die Kinder stammten aus Waisenhäusern und aus einer Gemeinde namens Cristo Vive. Diese Camps haben Kinder mit unterschiedlichen Behinderungen geholfen, so dass die Eltern einmal Pause machen konnten, während die Kinder im Camp waren. Es gab viele Kinder mit Zerebralparese, die ihre Sprachfähigkeit verloren hatten. Ich lernte ein Mädchen namens Christina kennen. Sie saß nur in einer Ecke und ich versuchte, mit ihr zu kommunizieren, indem ich ihr Ja-Nein-Fragen stellte. Nach einer Weile wurde mir klar, dass sie mit einigen Körperteilen, die sie steuern konnte, etwas kommunizieren konnte. Schon bald konnte sie meine Ja-Nein-Fragen beantworten und mit mir kommunizieren, und ihre Miene hellte sich auf und sie wurde fröhlicher.
Arlyn Edelstein arbeitet gemeinsam mit McCulloch an der Voz-Box
Warner: Wie hat Sie das beeinflusst und wie hat Sie das dazu inspiriert, ein Sprachausgabegerät zu entwickeln?
McCulloch: Als ich Ecuador verlassen und mein erstes Jahr am College begonnen hatte, machte es mir schwer zu schaffen, diese Menschen zurückzulassen, und damit auch diese Chance, denn sie fielen wieder in den Zustand ohne Kommunikation zurück und waren wieder Gefangene im eigenen Körper. Ich litt unter dem Wissen, dass sie immer noch nicht sprechen konnten. So entstand der brennende Wunsch, mit Waisen zu arbeiten, und die Erfahrung öffnete mir die Augen dafür, was für ein Glück ich mein ganzes Leben lang gehabt hatte. Ich spürte, dass ich helfen musste, deshalb nahm ich an einem Entwicklerwettbewerb teil, bei dem man ein medizinisches Gerät zur Sprachausgabe bauen musste. Ich reichte es ein, aber ich gewann nicht. Dann wurde mir klar, dass ich es nicht für den Wettbewerb getan hatte, sondern für Menschen wie Christina, die keinen Zugang zu Sprachausgabegeräten hatten.
Warner: Wie haben Sie nach dem Wettbewerb weitergemacht, um Ihre Idee voranzutreiben, und welche Technologien haben Sie dafür eingesetzt oder entwickelt?
Mary Elizabeth McCulloch, Gründerin des Project Vive
McCulloch: Noch in meinem ersten Studienjahr habe ich mein erstes Patent beantragt. Dafür habe ich Arduino, Raspberry Pi und Teile von Adafruit benutzt und die Wochenenden durchgearbeitet. Ich hatte beobachtet, dass jeder Mensch mit Zerebralparese oder ALS irgendeine Bewegung in seinem Körper kontrollieren konnte. Dadurch konnte man die Auswahl in einem Menü steuern, das ich vorgeben konnte, und damit konnten sie kommunizieren. Am Ende meines zweiten Studienjahres hatte ich es so weit, dass es funktionierte. In meinem dritten Jahr begann die Universität, Unternehmer anzuerkennen und zu unterstützen. Sie halfen mir bei der Teilnahme an Wettbewerben, und mir wurde immer klarer, dass ich ein Wirtschaftsunternehmen daraus machen wollte. Ich wollte dieses Gerät nicht einfach nur spenden und dann verschwinden. In Ecuador war mir aufgefallen, dass viele gespendete Geräte defekt waren. Die Menschen waren so begeistert gewesen, eine Stimme zu haben, aber nur so lange, bis das Gerät kaputtging und ihre Hoffnungen zunichte gemacht wurden. Ich wollte auf keinen Fall, dass diese Menschen eine Stimme bekamen, nur um sie wieder zu verlieren!
Warner: Erzählen Sie uns mehr über den Wettbewerb, an dem Sie teilgenommen haben, die gewonnenen Preise und die Anerkennung des Patents.
McCulloch: Mentoren an der Penn State stellten eine Verbindung zur Happy Valley LaunchBox her, das war ein brandneues Gründerzentrum. Wir waren die ersten, die Räume bekamen, und wir haben uns gefühlt wie im Himmel! Wir nahmen an „The Investment“ teil, einem Wettbewerb im Stil eines Haifischbeckens zwischen Start-Ups von verschiedenen Universitäten. Wir gewannen und bekamen ein Preisgeld von 17.000 Dollar. Wir waren im Finale der ALS Assistive Tech Challenge, die von der ALS Association und Prize4Life veranstaltet wurde. Wir wurden nach Irland geflogen und Menschen aus aller Welt mit ALS konnten unsere neue Technologie ausprobieren. Dann nahmen wir an der von Cisco gesponserten Global Problem Solver Challenge teil und gewannen den Hauptpreis in Höhe von 100.000 Dollar. Das war ein Durchbruch, dadurch hatten wir Startkapital für ein eigenes Unternehmen. Eine Woche vor dem Start unserer Indiegogo-Kampgane bekamen wir unser Patent. Mit der Kampagne wollten wir das Geld zusammenbringen, um zehn Menschen eine Stimme zu geben. Wir haben das Ziel übertroffen und konnten dreizehn Stimmen verschenken. Das war unglaublich! (Ein inspirierendes Video dazu finden Sie HIER.)
McCulloch und CTO Trip Martin testen einen Handschuhsensor
Warner: Das ist wirklich toll! Welche Ziele haben Sie jetzt?
McCulloch: Wir arbeiten an einem abschließenden Prototyp, den wir für die Serienproduktion skalieren können. Wir haben unsere Kernannahmen durch Gespräche mit Eltern, Sonderpädagogen, Experten für Behinderungen, Sprachtherapeuten, ALS-Forschern und Physio- und Ergotherapeuten überprüft. Wir müssen dafür sorgen, dass unser Gerät gleichzeitig sicher und effektiv ist. Wir haben viel gemeinsam mit Anwendern und Experten geforscht. Es ist sehr ungewöhnlich, Anwender in den Entwicklungsprozess einzubeziehen, aber Arlyn und Godfrey haben eine Schlüsselrolle dabei gespielt, herauszufinden, was wichtig ist. Diese Leute sind brillante Problemlöser, weil sie komplexe Probleme jahrelang gelöst haben! Es war so hilfreich, die Denkweisen körperlich Gesunder abzulegen und herauszufinden, was wirklich wichtig ist. Zum Beispiel wurde uns klar, dass das Ganze ein Accessoire ist, also ist den Anwendern auch wichtig, wie es aussieht. Wie fühlt es sich an? Wie werden andere Menschen sie ansehen? Viele mögen es nicht, wenn andere Menschen sie ansehen, und sie möchten kein klobiges Gerät, das noch mehr unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es muss sich in ihren Lebensstil integrieren.
Warner: Die intensive Zusammenarbeit und die Gedanken, die Sie sich gemeinsam mit den Anwendern gemacht haben, sind sehr beeindruckend. Wann hoffen Sie, mit der Produktion beginnen zu können?
Handschuhsensor und Steuerung
McCulloch: Wir sind jetzt in der Betatestphase. Danach entwickeln wir den endgültigen Schaltplan, das Layout und die Leiterplattenbestückung. Wir rechnen damit, dass wir in drei bis vier Monaten zehn voll funktionsfähige Leiterplatten haben werden. Anschließend müssen wir die Firmware programmieren. Wir hoffen, dass wir all dies bis Jahresende schaffen.
Warner: Wie wollen Sie es auf den Markt bringen?
McCulloch: Es gibt mehrere Konferenzen zu Hilfsgeräten, bei denen wir ausstellen möchten. Wir haben eine Partnerschaft mit Easter Seals für eine Beta-Markteinführung. Wir planen außerdem ein Pilotprojekt in zwei Krankenhäusern und zwei Schulen in Ecuador, wo wir fünfundzwanzig Geräte einsetzen und Daten sammeln wollen. Auch in Sri Lanka planen wir den Einsatz einiger Geräte.
Der 16-jährige Aaron, neuester Empfänger einer Stimme von Project Vive
Warner: Nun, ich habe vielen Leuten bei Altium von Ihrer Website und Ihrer Technologie erzählt und Sie haben sicherlich schon viele Fans in unserem Büro in San Diego. Vielen Dank, dass Sie Ihre unglaubliche Geschichte mit uns geteilt haben. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!
McCulloch: Danke, Judy! Wir sind sehr dankbar dafür, dass Sie dabei helfen, Project Vive bekannter zu machen.
Anmerkung der Redaktion. Wenn Sie über Project Vive eine „Stimme“ spenden möchten, besuchen Sie bitte hier die Website des Projekts. Sie können auch auf Facebook, Twitter und Instagram verfolgen, wie es weitergeht.