Sollten Sie oder Ihr Hersteller jeden Aspekt der PCB-Konstruktion bestimmen?

Erstellt: Juli 12, 2017
Aktualisiert am: September 25, 2020

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Endlich konnte ich die jahrelang geplante Urlaubsreise nach China antreten. Ich hatte den Flug ungefähr zur Hälfte hinter mir, als meine Vorfreude sich plötzlich in Furcht verwandelte. Mir wurde klar, dass zu Hause, wo ich als PCB-Designer arbeite, während der Bestückung ein kritischer Fehler auftauchen konnte. Ich bereute es, das Reflow-Profil nicht genauer festgelegt zu haben. Andererseits bereute ich es vielleicht, es zu genau vorgegeben zu haben? Eventuelle Fehler auf meiner Leiterplatte wären Tage vorher gemacht worden - vor dem Antritt meines Fluges - und mit der richtigen Planung hätte ich dieses Panikgefühl vermeiden können.

 

Generell gibt es zwei verbreitete Herangehensweisen und Philosophien für das Design und die Herstellung von PCBs. Man kann sein PCB-Design komplett selbst übernehmen, indem man jeden Aspekt der Leiterplattenkonstruktion und -bestückung bis ins Detail vorgibt. Alternativ kann man dem Auftragshersteller auch die Spezifizierung von Teilen des Konstruktions- und Herstellungsprozesses überlassen. Es gibt für beide Optionen den passenden Ort und die richtige Zeit, also sehen wir mal, was unter welchen Bedingungen geeignet ist.

 

 

Wann sollte man selbst die Kontrolle haben?

 

Meistens ist es sicherer und besser, selbst jeden Aspekt des Leiterplatten-Designs festzulegen. Die Kontrolle über die gesamten Design-Daten gibt einem Unternehmen ein Maximum an Freiheit und Flexibilität bei der Suche nach dem Hersteller und der Bestückungsqualität des PCB. Beim Steigern der Produktionszahlen oder der Suche nach Kostensenkungsmöglichkeiten, werden meist auch die Leiterplattenhersteller und Bestückungsstandorte gewechselt.

 

Wenn man einem Auftragshersteller die Freiheit lässt, eigene Materialien und Abläufe zu wählen, wird ein Transfer zum Bestücker erschwert, denn das Endprodukt des neuen Bestückungsstandortes wird höchstwahrscheinlich vom vorherigen Standortes abweichen. Wenn das noch keine Ferienflug-Panik verursacht, schaffen es spätestens die Probleme bei der Zertifizierung. Sehr oft müssen bei Änderungen an einer Leiterplatte, die die mit dem Produkt zusammenhängenden Zertifizierungen neu durchgeführt werden. Das kann kostspielig sein und Produkteinführungen verzögern.

 

Wenn Sie dies lesen, denken Sie sicher, es sei immer am besten, die Konstruktion und Bestückung einer Leiterplatte komplett festzulegen.  Allerdings kann es ebenso zeitaufwändig und schwierig sein, die passenden Materialien, Flussmittel, Reflow-Profile und die Lotpastenmasken, die Erstellung des Mehrfachnutzens etc., festzulegen. In einigen Szenarien überwiegen diese Faktoren, den oben genannten Vorteilen. Diskutieren wir also die Szenarien, in denen Sie die Kontrolle über die Bestückung komplett übernehmen sollten und in welchen nicht.

 

Chinesische Mauer
Wollen Sie bei diesem Ausblick wirklich über PCB-Spezifikationen nachdenken müssen?
 

Designs für die UL-Zertifizierung

Wenn Sie eine UL-Zertifizierung anstreben, ist es wichtig, jeden Aspekt der Bestückung detailliert zu bestimmen, um kostspielige Verzögerungen und ungeplante Ausgaben zu vermeiden. Jeder, der den Prozess einmal durchlaufen hat, wird Ihnen bestätigen können, wie schwierig und langwierig es ist, eine UL-Zertifizierung zu bekommen. Dafür muss das Produkt meist eine Reihe von Tests durchlaufen. Dem Hersteller die Auswahl der Materialien zu überlassen, könnte dazu führen, dass die Testergebnisse negativ ausfallen, weil die Vorgaben zum Bestehen der Tests nicht erfüllt werden.

Je nach Sicherheitsstufe des Produkts kann die Zertifizierung Monate dauern und mehrere Durchläufe erfordern, bis das Produkt endlich besteht. In diesem Fall ist die einzig realistische Option für den PCB-Designer, herauszufinden, welche Sicherheitsvorgaben zu erfüllen sind, und auf dieser Grundlage die meisten, wenn nicht sogar alle Aspekte des PCB-Designs festzulegen. Die Entflammbarkeit (UL94) ist zum Beispiel ein häufiges Problem in UL-Tests.

Das richtige dielektrische Material für das PCB-Substrat zu finden, ist für diese Anwendungen oft entscheidend. Überlässt man dem PCB-Hersteller die Wahl eines beliebigen Glasfaser-Materials, führt das meist zu weiteren UL-Testzyklen. Es ist also klug, Design-Spezifikationen von Anfang an festzulegen und so Probleme bei der Zertifizierung zu vermeiden. Manchmal ist es schwierig, das richtige Maß an Vorgaben zu finden. Sehen wir uns einen Fall an, der eine Art Grauzone darstellt.

 

Impedanzkontrolle und Benutzervorgaben

Bei Designs für den IoT-Markt werden Sie sehr umsichtig sein müssen, was die Anzahl der Spezifikationen angeht. Die meisten IoT-Designs nutzen Bluetooth oder WLAN für die Übertragung von Sensordaten oder andere Funktionen. Das bedeutet, dass meist eine PCB-Antenne vorhanden ist, die eine kontrollierte Impedanz voraussetzt. Ähnlich ist es bei kapazitiven Sensoren: sie benötigen präzise gesteuerte kapazitive Profile für optimale Leistung.

Beides wird von der Konstruktion der Leiterplatte maßgeblich beeinflusst. Meist wird ein einfaches Werkzeug eingesetzt, um die Zielimpedanz zu ermitteln, und diese wird in die Herstellungsanweisungen zum PCB aufgenommen. Oftmals wird auch ein Rückschreiben mit den Testergebnissen des Leiterplattenherstellers angefordert, die bestätigen sollen, dass die kontrollierte Impedanz den Produktvorgaben entspricht. In diesen Fällen ist die Auswahl jedes Aspektes des Leiterplatten-Designs und der Bestückung eine gewisse Grauzone.

Die beste Vorgehensweise in solchen Szenarien ist es, die Vorgaben (wie die Impedanz) genau festzulegen und das PCB nach der Bestückung zu beurteilen. Dieser Vorgang wird oft als „Audit“, also Prüfung, bezeichnet. Simulationen können die PCB-Parameter nicht perfekt abschätzen. Wichtige Vorgaben müssen also real gemessen und vom Leiterplattenhersteller gegebenenfalls neu feinabgestimmt werden. Es ist also besser, den Herstellern die Freiheit bei der Wahl ihrer Materialien und beim Bestückungsablauf zu lassen, damit sie Ihre festen Produktvorgaben erfüllen können. Sie sehen schon, dass sich in diesem Szenario nicht vollständig festlegen lässt, wie viel Sie vorgeben sollten. Einerseits müssen Sie das Verhalten der Leiterplatte klar definieren. Andererseits braucht der Auftragsfertiger die Freiheit, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Ziel zu erreichen.

 

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Manchmal fällt die Wahl des Mittagessens ebenso schwer wie die Vorgabe der richtigen Materialien

 

 

Schnelle Entwicklung von Prototypen und Machbarkeitsnachweisen

In der Welt der Start-Ups gilt häufig die Devise „schnell handeln und Dinge auch mal kaputtmachen“. Dahinter steht die Idee, dass ein Start-Up-Unternehmen nicht wirklich wissen kann, ob sein Produkt gut ist, bevor der Markt sein Urteil fällt. Darum agieren Start-Ups schnell und versuchen Versionen ihrer Idee, die dem Endprodukt möglichst nah kommen, am Markt zu testen. Diese Versionen nennt man ein Minimalprodukt (MVP). 

Ein so schnelles Agieren ist oft gleichbedeutend mit einem kostengünstigen Vorgehen. In diesem Fall ist es wichtiger, schnell eine funktionierende Leiterplatte zu haben, als auf eine Leiterplatte mit strengen Qualitätsanforderungen zu warten.  Es ergibt auch keinen Sinn, auf eine absolut erstklassige Herstellung der Leiterplatte hinzuarbeiten, bevor das Produkt bereit für die Produktion ist. In diesem Fall sollten Sie sich auf die Auftragshersteller verlassen, damit die Entwickler Zeit haben, die wichtigen Teile des Produkts zu verbessern. 

 

 

Die wichtigsten Punkte

 

Trotz der vielen Fortschritte im Bereich der PCB-Layout-Software ist es immer noch schwierig, solide PCB-Designs zu entwickeln. Manchmal ist es einfacher, einem Auftragshersteller die Entscheidungen über Konstruktion und Bestückung zu überlassen. Allerdings kann dies Risiken für Qualität und Zertifizierung des Produkts mit sich bringen. Professionelle PCB-Design-Software wie Altium Designer und Add-Ons wie Altium Vault können Ihnen beim Festlegen von Vorgaben für die Leiterplattenkonstruktion und Bestückung helfen. So reduzieren oder eliminieren Sie sogar Ihre Sorgen während Ihres Urlaubs und erleichtern den Übergang vom funktionierenden Prototypen zum marktreifen Produkt erheblich.

Haben Sie eine Frage zu Spezifikationen? Kontaktieren Sie einen Experten bei Altium.

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