Wie ich bereits in einem früheren Blogbeitrag ausgeführt habe, wird das Design von Stromverteilungsnetzen seit Jahren dadurch erschwert, dass in der Branche diverse falsche Faustregeln und völlig aus der Luft gegriffene Designleitlinien kursieren. Diese Entwicklung hat bei vielen Designern für Verwirrung gesorgt, da sich nur schwer ersehen lässt, was wirklich funktioniert und was nicht.
Besonders kontrovers diskutiert wird derzeit der Einsatz von Ferritperlen zur Reduzierung und Eindämmung elektromagnetischer Störungen und Interferenzen. Zu diesem Thema gibt es ein breites Angebot an einander widersprechenden Informationen, deren jeweilige Stichhaltigkeit nur mit Schwierigkeiten zu ermitteln ist. Letzteres ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Falschinformationen oft fundiert erscheinen, da sie vermeintlich durch umfangreiche Daten gestützt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bauteilhersteller in den Anwendungshinweisen einiger ICs explizit den Einsatz von Ferritperlen zur Unterdrückung elektromagnetischer Störungen empfehlen.
Um hier Abhilfe zu schaffen und bestehende Unklarheiten auszuräumen, werden in diesem Blogbeitrag unter anderem die folgenden Fragen aufgegriffen und beantwortet:
• Was genau sind eigentlich Ferritperlen?
• Wie begann ihre Nutzung?
• Warum gilt die Nutzung von Ferritperlen vielerorts als fundiertes Designprinzip?
• Welche Folgen hat es tatsächlich, wenn Sie eine Ferritperle in Reihe in die Versorgungsleitung eines ICs schalten?
• Was ist zu tun, wenn ein IC-Hersteller die Nutzung von Ferritperlen empfiehlt?
Im Laufe der Diskussion dieser verschiedenen Themen wird sich zeigen, dass elektromagnetische Störungen und Interferenzen weder eliminiert noch eingedämmt werden, wenn Sie eine Ferritperle in Reihe in die Versorgungsleitung eines ICs schalten. Stattdessen wird durch das Hinzufügen einer solchen Komponente die Performance des Stromverteilungsnetzes beeinträchtigt.
Ferritperlen (auch als Dämpfungsperle bezeichnet) sind passive Bauteile, die zur Dämpfung von störenden Hochfrequenzsignalen eingesetzt werden. Sie sind in den gleichen Größen wie Widerstände, Kondensatoren und andere Komponenten verfügbar.
Ein Teil der bestehenden Unklarheiten über Ferritperlen ist darauf zurückzuführen, dass es sich hier nicht um Perlen im engeren Sinne, sondern um Spulen im Miniaturformat handelt. Genauer gesagt ist das, was gemeinhin als „Perle“ bezeichnet wird, eigentlich eine Toroidspule. (Eine Toroidspule besteht aus einem ringförmigen Ferrit- oder Pulverkern, der mit Isolier- oder Lackdraht umwickelt ist. Diese Spulen werden schwerpunktmäßig in Niederfrequenzschaltungen eingesetzt, wenn eine relativ hohe Induktivität gewünscht ist. Sie bilden seit jeher das Herzstück von Transformatoren.) Aus Gründen der Konsistenz werde ich jedoch den in der Branche bestehenden Konventionen folgen und diese Ferritspulen als „Ferritperlen“ bezeichnen.
Wie in Abbildung 1 ersichtlich wird, haben diese Bauteile typischerweise die Form eines Ferritpakets, was einmal mehr unterstreicht, dass es sich hier nicht um eine Perle im eigentlichen Sinne handelt.
Abbildung 1: Typische Form einer Ferritperle
Was nun die Zusammensetzung angeht, so bestehen Ferritperlen – wie der Name schon sagt – aus einem ferromagnetischen Material, das gemeinhin als Ferrit bezeichnet wird Dieses Material besitzt die gleichen Eigenschaften wie eine Drahtspule und bietet damit den Vorteil, dass schon bei kleinen Formfaktoren eine relativ hohe Induktivität erreicht wird. Allerdings fungiert bei Ferritperlen im Allgemeinen nicht die Induktivität, sondern die Impedanz als wichtigste Kenngröße. Wie in Abbildung 2 zu sehen, ändert sich die Impedanz einer Ferritperle – ähnlich der einer Spule – in Abhängigkeit von der Frequenz: Sie steigt im niedrigen Frequenzbereich langsam an, erreicht dann ein Maximum und fällt anschließend wieder ab.
Abbildung 2: Die Impedanz verschiedener typischer Ferritperlen in Abhängigkeit von der Frequenz
Die Nutzung von Ferritperlen in PCB-Designs reicht zurück bis in die späten 1980er Jahre, als auf Halbleiterbauelementen basierende Geräte erstmals Schaltfrequenzen erreichten, die elektromagnetische Störungen verursachten. Zu dieser Zeit begannen EMV-Experten damit, Ferritperlen in die Versorgungsleitungen von CMOS-Komponenten zu schalten und eliminierten damit tatsächlich die von diesen Bauteilen hervorgerufenen elektromagnetischen Störungen. Allerdings war dieser Effekt letztlich darauf zurückzuführen, dass die Ferritperlen die Schaltfrequenz signifikant senkten, wodurch die Emissionsschwelle für Störsignale unterschritten wurde. Mit anderen Worten: Ferritperlen dienten von Anfang an ausschließlich der Symptombehandlung. Sie erfüllten ihren Zweck und stoppten die Emission von Störsignalen, verhinderten jedoch zugleich, dass die damit ausgestatteten Komponenten die maximal mögliche Schaltfrequenz erreichten. Dies wurde bereitwillig in Kauf genommen, da hohe E/A-Geschwindigkeiten damals noch eine untergeordnete Priorität hatten. So konnte die Ferritperle ihr bis heute bestehendes Image erlangen.
Zur Illustration dieses Ansatzes zeigt Abbildung 3 den Stromkreis, der entsteht, wenn eine Ferritperle in Reihe in die Versorgungsleitung eines ICs geschaltet wird.
Abbildung 3: IC-Stromkreis mit Ferritperle in der Versorgungsleitung
Grundsätzlich können Ferritperlen ihre störungsdämpfende Wirkung nur entfalten, weil die von den meisten integrierten Schaltungen emittierten Störsignale im Frequenzbereich zwischen 30 MHz und 1 GHz liegen. Wenn einem IC eine Ferritperle vorgeschaltet wird, verhindert diese dank ihrer Impedanz jegliche hochfrequente Stromaufnahme und sorgt so dafür, dass die zur Emission von Störsignalen nötige Schaltfrequenz dauerhaft unterschritten wird. Diese Methode funktionierte, solange ICs und ASICs weder hohe E/A-Geschwindigkeiten erreichen mussten, noch mit einem schnellen Taktgeber gekoppelt waren. Vor der Ära der 130-Nanometer-ICs arbeiteten die meisten Schaltkreise so langsam, dass keine hochfrequente Stromversorgung mit niedriger Impedanz nötig war. Dennoch war der Einsatz von Ferritperlen schon damals ein Zeichen für Defizite bei der technischen Konzeption, da er die Leistungsfähigkeit der betreffenden Stromverteilungsnetze minderte.
Damit ICs die gewünschte Funktionalität bieten können, benötigen sie eine Stromversorgung in Form einer Spannungsquelle, die unabhängig von der Stromaufnahme stets die gleiche Versorgungsspannung liefert. Letzteres ist jedoch nur dann gegeben, wenn die Impedanz der Spannungsquelle unabhängig von der Schaltfrequenz gegen Null geht oder zumindest sehr niedrig ist. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass infolge wachsender Schaltgeschwindigkeiten ein Punkt erreicht wurde, an dem ICs nach Platzierung einer Ferritperle nicht mehr wie vorgesehen funktionierten. Denn mit der Signalfrequenz steigt die Impedanz der Ferritperlen – und damit des Stromversorgungsnetzes – auf ein nicht mehr tolerables Maß. Zur Behebung dieses Problems schlugen einige Experten die Hinzufügung eines der Ferritperle nachgeschalteten Kondensators vor, wie in Abbildung 4 dargestellt.
Abbildung 4: IC-Stromkreis mit Ferritperle und Kondensator
Dadurch wurde zwar das Problem mit der Unterstützung hoher Schaltgeschwindigkeiten behoben, doch traten zugleich wieder elektromagnetische Störungen und Interferenzen auf. Als ähnlich unergiebig hat sich auch eine alternative Methode der Realisierung dieses Stromkreises erwiesen, bei der ein Stück der Vdd-Ebene herausgeschnitten wird. (Näheres können Sie der am Ende dieses Beitrags genannten Quelle entnehmen.)
Darüber hinaus möchte ich Sie an dieser Stelle auf die Tatsache aufmerksam machen, dass das Wort „Bypass Capacitator“ (Ableitungskondensator) in Abbildung 4 in Anführungszeichen gesetzt ist. Diese Anführungszeichen sollen anzeigen, dass dieser Kondensator nicht zur Ableitung von Störsignalen dient, sondern als primär als lokaler Ladungs- und Energiespeicher fungiert, der hohe Schaltgeschwindigkeiten im angeschlossenen ASIC ermöglicht. Daher ist die Bezeichnung „Coulomb Bucket“ für diese Kondensatoren besser geeignet. (Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in einem meiner früheren Blogbeiträge mit dem Titel „Power Play – Successfully Designing Power Delivery Systems, Part 1“.)
Viele Anbieter von Hochgeschwindigkeits-ASICs, PLL-Komponenten, Hochgeschwindigkeits-Serialiser/Deserialisern (SerDes) und anderen, „analogen“ ICs empfehlen die Platzierung einer Ferritperle in der Versorgungsleitung der betreffenden Bauteile, wie oben beschrieben. Als Grund wird oft angeführt, dass die Kombination aus Ferritperle und Kondensator als Tiefpassfilter fungiert, der verhindert, das hochfrequente Störsignale über das Stromverteilungsnetz zum IC gelangen.
Andere IC-Anbieter begründen ihre Empfehlung der Verwendung einer Ferritperle unter Verweis auf langjährige Erfahrungswerte. Hier lautet der Tenor der entsprechenden Anwendungshinweise in etwa folgendermaßen: „Wir empfehlen seit jeher die Platzierung einer Ferritperle und wenn Sie unseren Anwendungshinweisen nicht folgen, können wir ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Bauteils nicht garantieren.“ In einem solchen Fall empfiehlt es sich, beim Anbieter nachzufragen, ob denn das ordnungsgemäße Funktionieren des ICs bei Einhaltung dieser Empfehlung garantiert wird. Meist erhalten Sie ein „Nein“ als Antwort, was die Verwendung des fraglichen Bauteils generell in Frage stellt.
Andere IC-Anbieter begründen ihre Empfehlung der Verwendung einer Ferritperle unter Verweis auf langjährige Erfahrungswerte. Hier lautet der Tenor der entsprechenden Anwendungshinweise in etwa folgendermaßen: „Wir empfehlen seit jeher die Platzierung einer Ferritperle und wenn Sie unseren Anwendungshinweisen nicht folgen, können wir ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Bauteils nicht garantieren.“ In einem solchen Fall empfiehlt es sich, beim Anbieter nachzufragen, ob denn das ordnungsgemäße Funktionieren des ICs bei Einhaltung dieser Empfehlung garantiert wird. Meist erhalten Sie ein „Nein“ als Antwort, was die Verwendung des fraglichen Bauteils generell in Frage stellt.
Abbildung 5 zeigt die Output-Wellenform einer seriellen Schnittstelle mit einer Datenrate von 3,125 Gbit/s und einer Ferritperle in der Versorgungsleitung der Endstufe.
Abbildung 5: SerDes-Output bei einer Datenrate von 3,125 Gbit/s, mit einer Ferritperle in der Versorgungsleitung
Abbildung 6 zeigt den Output derselben Baugruppe nach Entfernung der Ferritperle. Hier enthält die von der positiven Versorgungsspannung (VDD) gespeiste Versorgungsleitung keine zwischengeschalteten Komponenten. Beim Vergleich der beiden Abbildungen wird ersichtlich, dass sich die Performance des Schaltkreises bei Hinzufügung einer Ferritperle deutlich verschlechtert.
Abbildung 6: SerDes-Output bei einer Datenrate von 3,125 Gbit/s, ohne Ferritperle in der Versorgungsleitung
Die hier abgebildeten Wellenformen stammen aus einer vom Anbieter der betreffenden Baugruppe bereitgestellten Evaluationsübersicht. Trotzdem wurde die Stromversorgungsschaltung, die die in Abbildung 5 dargestellte Wellenform erzeugt, in den entsprechenden Anwendungshinweisen ausdrücklich empfohlen. Dies verwundert umso mehr, als dadurch nur die Symptome und nicht die eigentlichen Ursachen des Problems beseitigt werden. Denn letztlich waren die über die Versorgungsleitung übertragenen Störsignale auf ein mangelhaftes Design des Stromverteilungssystems zurückzuführen.
Dieser Fall unterstreicht einmal mehr, dass sich IC-Anbieter stärker mit der Stromversorgung integrierter Schaltkreise befassen und diesbezüglich präzise Vorgaben formulieren sollten. Erforderlich sind unter anderem genaue Angaben zur maximalen Stromaufnahme, zu den Frequenzen des ICs und zu den maximal zulässigen Spannungsschwankungen (Stichwort Restwelligkeit). Ohne diese Informationen ist es unmöglich, ein funktionierendes, zuverlässiges Stromverteilungsnetz zu entwerfen.
Eine weitere wichtige Kennzahl, die sich beispielsweise in den Produktspezifikationen von Operationsverstärkern findet, ist der sogenannte Versorgungsspannungsdurchgriff (auch „Power Supply Rejection Ratio“ oder kurz „PSRR“ genannt). Dieser Wert gibt an, wie stark sich Änderungen der Versorgungsspannung auf den Output der fraglichen Komponente auswirken, und lässt sich unter anderem für digitale ICs und PLL-Komponenten ermitteln. Damit derartige Kennzahlen künftig weitere Verbreitung finden, ist eine Abkehr von den alten Denkweisen aus der Ära der Transistor-Transistor-Logik erforderlich. Damals waren die Toleranzen gegenüber Schwankungen der Versorgungsspannung so hoch, dass diese in den Bauteilspezifikationen nicht berücksichtigt werden mussten.
Heute sind PCB-Designer bei der Gestaltung von Stromverteilungsnetzen jedoch verstärkt darauf angewiesen, dass ihnen entsprechende Angaben zur Verfügung stehen. Falls diese Informationen nicht erhältlich sind und die Anwendungshinweise lediglich empfehlen, eine Ferritperle in Reihe in die Versorgungsleitung des betreffenden ICs zu schalten, sollte der jeweilige Anbieter umgehend um Antworten auf die folgenden vier Fragen gebeten werden:
Welches konkrete Problem kann durch die Hinzufügung einer Ferritperle behoben werden?
Beseitigt die Ferritperle die Ursache dieses Problems oder dient sie nur der Symptombehandlung?
Lässt sich gewährleisten, dass durch die Hinzufügung einer Ferritperle keine neuen Probleme entstehen (wie beispielsweise in Abbildung 5 zu sehen)?
Ist die Platzierung einer Ferritperle wirklich der beste Ansatz zur Lösung des fraglichen Problems?
Wir haben mit dieser Methode unzählige unnötige Ferritperlen in unseren PCB-Designs vermieden. Wann immer wir in den vergangenen Jahren eine entsprechende Empfehlung in den Anwendungshinweisen eines ICs entdeckten, kontaktierten wir umgehend den Hersteller oder Anbieter und stellten ihm die genannten Fragen. Dabei erhielten wir in keinem einzigen Fall Antworten, die für die Platzierung einer Ferritperle sprachen.
Falls Sie diese Vorgehensweise übernehmen und dann feststellen müssen, dass ein Anbieter auch nach kritischen Nachfragen auf der Verwendung von Ferritperlen besteht, sollten Sie ihn auffordern, Ihnen eine unter Einhaltung der entsprechenden Vorgaben erstellte Testbaugruppe zu zeigen. Wenn keine solche Testschaltung existiert, ist Misstrauen angebracht. Ich selbst habe einen solchen Fall erlebt, als mein Team Probleme mit einem Mikroprozessor hatte, der trotz aller Bemühungen einfach nicht funktionieren wollte. Damals baten wir den Anbieter, uns die zur Erstellung der Anwendungshinweise und Spezifikationen verwendete Testschaltung zu zeigen, und erfuhren zu unserem Erstaunen, dass es keine entsprechende Schaltung gäbe und nie gegeben habe. Als wir daraufhin die Frage stellten, auf welche Weise die Funktionstüchtigkeit der betreffenden Komponente überprüft wurde, lautete die Antwort lapidar: „Wir liefern sie an unsere Kunden aus und erfahren dann von ihnen, ob sie funktioniert!“
Wir von Speeding Edge haben uns in den vergangen Jahren immer wieder davon überzeugen können, dass die Verwendung von Ferritperlen entweder reflexartig zur Symptombehandlung erfolgt oder auf mangelhafte Designprinzipien zurückzuführen ist. Lee Ritchey, der Vorstandsvorsitzende unserer Beratungsfirma, hat seine diesbezüglichen Erfahrungen kürzlich prägnant zusammengefasst: „In meiner mehr als 40-jährigen Laufbahn als Designer für Hochgeschwindigkeits-Computersysteme und Netzwerkprodukte habe ich nie auch nur eine Ferritperle in den Versorgungsleitungen von PLL-Komponenten, analogen ICs und anderen Bauteilen platziert. Trotzdem haben alle von mir verwendeten Komponenten wie vorgesehen funktioniert und die einschlägigen EMI- und ESD-Tests bestanden, weil ich im Vorfeld die Anforderungen der Schaltkreise in puncto Restwelligkeit ermittelt und dann das Stromverteilungsnetz entsprechend designt habe.“
Ritchey, Lee W. und Zasio, John J., „Right The First Time, A Practical Handbook on High-Speed PCB and System Design, Volumes 1 and 2.“
Möchten Sie gern mehr darüber erfahren, wie Altium Ihnen Ihr nächstes PCB-Designprojekt erleichtern kann? Dann sollte Sie umgehend einen unserer Experten kontaktieren.