Der Weg zur professionellen Stückliste - Teil 3 ActiveBOM

Sven Ingelfinger
|  Erstellt: Juli 10, 2019  |  Aktualisiert am: März 16, 2020

 

Die Zeiten in denen Sie händische Korrekturen in Ihrer Stückliste umgesetzt haben, sind nun endgültig vorbei. Während des gesamten Entwicklungsprozesses und schwerpunktmäßig während der Schaltplan-Entwicklung, beschäftigen Sie sich zu einem Großteil mit der Auswahl und Verschaltung von Komponenten. In erster Linie erfolgt diese Auswahl nach technischen Gesichtspunkten auf der Basis, auf der die Schaltplanentwicklung stattfindet. 

Doch damit sich ein Produkt erfolgreich am Markt etablieren kann, müssen auch wirtschaftliche Aspekte hinsichtlich der Komponentenauswahl berücksichtigt werden.

Themen wie die Beziehbarkeit bzw. Verfügbarkeit, der Preis sowie die Lagermenge beeinflussen, wie schnell eine Entwicklung auf den Markt kommt. “Time to Market” lautet das dazugehörige Buzzword.

Es entscheiden somit nicht ausschließlich die technischen Gesichtspunkte über den Erfolg oder Misserfolg einer Produktidee. Im Grunde ist es ganz einfach. Sie können eine Komponente nicht verwenden, wenn Sie diese nicht vorrätig, günstig und in ausreichender Menge kaufen können!

In Zeiten von Allokation kommen auch noch ganz andere Schwerpunkte hinzu, welche Sie heute als Entwickler in Ihren Stücklisten abbilden müssen. Lieferengpässe und künstliche Verknappungen erschweren hier die Markteinführung für so manches Produkt. 

Bereits bei der Auswahl der Komponenten sollten Sie mit einem sehr scharfen Blick prüfen, bei welchen Distributoren die Bauteile verfügbar sind. Alternative Bezugsquellen bringen die einkaufsseitig benötigte Flexibilität während einer Allokation/ Verknappung. Haben Sie hier bereits mehrere Bezugsquellen hinterlegt, verringert sich Ihr Arbeitsaufwand.

Oft geht es nicht allein um den Bezug eines identischen Bauteils, sondern eher um die Hinterlegung eines vom Anwendungsfall abhängigen Ersatz-Bauteils. Also mit ähnlicher Funktion im entsprechenden Einsatzzweck, jedoch kein genereller 1:1-Ersatz.
Das ist ein wesentlicher Unterschied!

Außerdem kommt es auch vor, dass an der einen oder anderen Stelle eventuell zu scharf dimensioniert wurde, wenn nicht sogar unnötig genau überdimensioniert. So ist dies in Punkto Flexibilität leider ein Problem, welches sehr häufig nicht in Betracht gezogen wird. Toleranzen oder Spannungsbereiche werden teilweise zu genau ausgewählt, wodurch die Einkaufsabteilung eingeschränkt wird. Idealerweise behalten Sie als Entwickler bereits bei der Schaltungsauslegung immer im Hinterkopf, ob die Auslegung Ihrer Schaltungsteile dem  Grundsatz “So genau wie nötig, nicht so genau wie möglich” entspricht.

Gelingt es Ihnen als Entwickler all diese Einzelfälle zu berücksichtigen und in den Stücklisten umzusetzen, so ist zumindest sichergestellt, dass sie sich für die Zeiten der Verknappung bestmöglichst aufgestellt haben.

Mit ActiveBOM haben Sie erstmalig die Möglichkeit, Ihre Stückliste während dem kompletten Designprozess aktuell zu halten und im Bedarfsfall auch nochmals detailliert anzupassen. Es besteht die Option, im Nachgang Ersatz-Bauteile hinzuzufügen, Distributoren zu wechseln oder hinzuzufügen. Mit ActiveBOM im Altium Designer haben Sie des Weiteren die Möglichkeit, die Leiterplatte an sich in der Stückliste mit aufzunehmen. Arbeitsanweisungen wie Klebe-, Löt-, und Montageanweisungen, können in der ActiveBOM ebenso ergänzt werden.

Was müssen Sie tun, um in Ihren Projekten ActiveBOM erfolgreich einzusetzen? 

ActiveBom erfordert ein gewisses Umdenken. Bisher waren Sie es gewohnt, Ihre Angaben bezüglich der Beziehbarkeit von Komponenten bereits bei der Bauteilanlage zu hinterlegen. Mit ActiveBOM haben Sie nun die Möglichkeit, das Ganze im Nachgang oder zu einem beliebigen Zeitpunkt während Ihres Projekts zu realisieren. Sie können somit die Bauteile hinsichtlich der Verfügbarkeit auch gegen Ende Ihres Projektes ergänzen. Damit Sie jedoch während der Entwicklung auf eine gewisse Basis zurückgreifen können, sollte Ihre Datenbank so vorbereitet sein, dass alle gängigen Komponenten Distributoren hinterlegt haben. Über die PartChoice-Funktion im Altium Designer, können Sie beispielsweise anhand einer Herstellerbezeichnung oder einer Bauteilbeschreibung die Distributoren über die Suchfunktion einbinden. Die Grundlage ist somit einmalig geschaffen und Sie können in weiteren Projekten darauf zurückgreifen.

Sollten Sie bereits mit Altium Nexus oder Altium Vault arbeiten, besteht die Möglichkeit, die Managed Components über die ActiveBOM einzubinden. Sie können aber auch wie gewöhnlich auf eine Schematic-Lib zugreifen, bei der die PartChoice-Informationen hinterlegt sind. Im Grunde spielt es keine Rolle, woher Sie Ihre Bauteildaten einbinden. Wichtig ist die Sicherstellung einer Internet-Verbindung so dass die PartChoice Funktion verwendet werden kann. Enthält Ihre Bibliothek nun Bauteile bei denen lediglich Artikelnummern hinterlegt sind, so kann mittels ActiveBOM im Nachgang nach diesen Artikeln gesucht werden. Somit sind Live-Daten für diese Bauteile erhältlich.

Um nun ein ActiveBOM Dokument Ihrem Projekt hinzuzufügen, müssen Sie lediglich über das Projekt-Panel mit einem Rechtsklick auf Ihre Projektdatei klicken und unter “Add new to Project” die Funktion “ActiveBOM Document” auswählen. Ein entsprechendes File wird geöffnet und Ihrem Projekt-Strukturbaum hinzugefügt. Zu jedem Projekt kann nur ein ActiveBOM-Dokument hinzugefügt werden. Erkennbar ist das Dokument an der Dateiendung *.BomDoc. Im Hintergrund des Projekts erfolgt eine Kompilierung der Dateien und die Live-Daten der hinterlegten Supplier Informationen werden aktualisiert und geladen. Sie haben im Nachgang die Möglichkeit, verschiedene Anpassungen vorzunehmen. Wenn Sie beispielsweise gewisse Supplier bevorzugen, können unterschiedliche Supplier ausgewählt werden. Es können aber auch Modifikationen wie zusätzliche Zeilennummerierungen, individuelle Zeileneinträge für spezielle Einzelkomponenten oder die Leiterplatte selbst, ergänzt werden.  

Im ActiveBOM-Dokument selbst, ist die Navigation wie üblich im Altium Designer sehr intuitiv. Das verschieben von Zeilen oder Spalten geschieht mit simplem Drag-and-Drop. Darüber hinaus gibt es verschiedene Grundansichten sowie diverse Filter und Sortierfunktionen. 

 
Der größte Benefit der ActiveBom sind die aktuell dargestellten Supply-Chain-Informationen. Klickt man auf einen Eintrag in der BOM, so werden die Supplier Informationen bereitgestellt. Neben Hersteller und Herstellerbezeichnung bekommt der Entwickler eine Information darüber, welchen Status die Komponente aufweist. So werden beispielsweise End-of-Life oder Obsolet-Ankündigungen direkt in der Stückliste dargestellt. Des Weiteren werden alle Distributoren gelistet, welche vom Entwickler ausgewählt wurden und an der entsprechenden Komponente hinterlegt sind. Im Nachgang kann somit entschieden werden, welcher Distributor verwendet wird. Außerdem ist die Lagerbestandssituation der Distributoren und die Höhe der Einzelteilpreise ersichtlich. Auch der Wechsel eines Lieferanten, welcher sich im Gesamtpreis widerspiegelt, ist schnell ersichtlich. 


Fazit:

  • Hinterlegen Sie bereits bei der Bauteilanlage die PartChoice Informationen.

  • Einigen Sie sich firmenintern auf eine ausgewählte Anzahl von Distributoren.

  • Machen Sie einen Test für sich, in dem Sie Active BOM für sich verifizieren.

Hier geht's zu Teil 1 der Blog-Artikelreihe

 

 

Über den Autor / über die Autorin

Über den Autor / über die Autorin

Sven Ingelfinger arbeitet als Hardware Entwickler bei der Firma IDS - Imaging Development Systems GmbH, einem der Weltmarktführer im Bereich der Industriekamera-Technik.

Neben der Schaltplan- und Layout Entwicklung, ist er schwerpunktmäßig für alle Themen rund um Altium Nexus zuständig. Über die letzten Jahre hat er neben zahlreichen Starr-Flex- und HDI-Projekten, auch die erfolgreiche Migration zum Altium Designer begleitet.

Darauf aufbauend, wurde im Anschluss die Umstellung auf Altium Nexus durchgeführt. Gemäß dem Leitspruch „Praxiswissen von Anwender für Anwender“, arbeitet er außerdem als (Online)-Trainer, Coach und Consultant für Altium Designer, Altium Vault und Altium Nexus.

Erfahren Sie mehr über Sven Ingelfinger auf: www.sveningelfinger.com

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