Nahfeld-EMI im Stromverteilungsnetz einer Leiterplatte identifizieren

Zachariah Peterson
|  Erstellt: September 8, 2020  |  Aktualisiert am: April 13, 2022
Nahfeld-EMI im Stromverteilungsnetz einer Leiterplatte identifizieren

Jedes elektronische Produkt, das für die FCC- oder CE-Zertifizierung vorgesehen ist, muss Strahlungsemissions- und EMV-Tests bestehen. Wenn Ihr Produkt die Tests nicht besteht, ist es mitunter schwierig, Quellen übermäßiger elektromagnetischer Interferenz (EMI) zu identifizieren. Leiterplattendesigner setzen häufig Nahfeldsonden mit Oszilloskop ein, um problematische Bauteile oder Leiterplattenbereiche sowie den Frequenzinhalt der abgestrahlten EMI zu identifizieren. Die Designer müssen sich dann auf ihre Erfahrung verlassen, um die Strahlung bei bestimmten Frequenzen mit verschiedenen EMI-Quellen in Verbindung zu bringen.

Um EMI-Quellen zu identifizieren und Lösungen vorzuschlagen braucht es Zeit, Mühe und eine spezialisierte Erfahrung. Die Alternative ist ein Feldlöser, um die Nahfeld-EMI der Leiterplatte direkt zu simulieren und mögliche Lösungen für EMI-Probleme auszuwerten. Der Feldlöser berechnet das elektromagnetische Feld, das von verschiedenen Bereichen einer Leiterplatte ausgeht. Er kann daher eingesetzt werden, um ein EMI-Problem vor der Prototypenphase einem bestimmten Bereich zuzuordnen. Wenn Sie ein EMI-Problem vor der Fertigung erkennen und beheben, senken Sie Ihre Entwicklungskosten und die Zeit bis zur Markteinführung.

Mit dem Paket Ansys SIwave® können Sie auf mehrere integrierte Feldlöser für Signal- und Power-Integrität sowie EMI-Analysen zugreifen. Altium Designer® bietet außerdem eine nahtlose Integration mit SIwave über die Erweiterung „Ansys EDB Exporter“. Damit können Designer solche Analysen ganz einfach direkt aus ihren Layout-Daten heraus durchführen. Um zu sehen, wie dies mit einem Altium-Leiterplattenlayout funktioniert, betrachten wir ein Beispielprojekt in Altium Designer und erläutern, wie übermäßige Nahfeld-EMI mit verschiedenen Simulationsergebnissen identifiziert werden kann.

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Nahfeld-EMI-Analyse für ein Stromverteilungsnetz

Das Mini-PC-Beispielprojekt in Altium Designer wird hier für die Nahfeld-EMI-Analyse mit Ansys SIwave verwendet. Diese Leiterplatte enthält mehrere Hochgeschwindigkeitsschnittstellen, und bei jeder dieser Schnittstellen kann es zu Problemen mit der Power- oder Signalintegrität kommen. Nach dem Import der Leiterplatten-Geometrie und des Layouts in SIwave kann eine Vollwellenlösung im Frequenzbereich verwendet werden, um Quellen von Nahfeld-EMI auf der Mini-PC-Leiterplatte zu identifizieren.

Der Mini-PC enthält mehrere Komponenten und Hochgeschwindigkeitsschnittstellen, die auf Probleme mit der Signal- und Power-Integrität untersucht werden sollten.

  • Intel Arria 10 FPGA 
  • 2 Onboard-DDR4-DRAM-Chips mit 8 GB und einer Taktfrequenz von 1866 MHz
  • 2 SODIMM-Erweiterungssteckplätze für DDR3/4-RAM-Module
  • USB 3.0, 10/100/1000Base Ethernet, PCIe

Alle diese Hochgeschwindigkeitskomponenten und die Verbindungen zwischen ihnen können Quellen von Nahfeld-EMI sein, wenn sie nicht korrekt angeordnet sind. Um EMI-Quellen auf der Leiterplatte während des Betriebs zu identifizieren, kann der EMI-Scanner in SIwave verwendet werden. Damit lässt sich ein Leiterplattenlayout automatisch anhand von EMI-Designregeln prüfen, bevor Vollwellensimulationen durchgeführt werden. So können Problembereiche identifiziert werden, die man dann bei einer umfassenden Simulation näher untersuchen kann.

Problembereiche identifizieren

Das Mini-PC-Layout enthält 16 Lagen mit mehreren Anordnungen von Lage-Signal-Lage für das Streifenlagenrouting. Bei einer ersten Betrachtung des Mini-PC-Layouts in Altium Designer sehen wir, dass zwei Streifenlagen-DDR4-Busnetze (Lage 7) auf die PLL_1V8-Versorgungsfläche (Lage 6, reguliert 2,5 V bis 1,8 V für das FPGA) und auf die VDD_DDR-Versorgungsfläche (Lage 8, versorgt die DDR4-Module mit Strom) referenziert sind. Andere Byte-Lanes liegen auf Lage 5, die ebenfalls Lage 4 und 6 als GND-Referenz verwenden. Da die Rückwege in den Versorgungsflächen als Verschiebungsströme etabliert werden, muss ein niederohmiger Rückweg zum Referenzpotenzial auf der Massefläche vorhanden sein.

Im Mini-PC-Layout ist die einzige Lage im DDR4-Bereich, die nicht über einen ausreichend niederohmigen Rückweg zur Masse verfügt, die Lage 6, insbesondere das Netz PLL_1V8. Dieser niederohmige Rückweg zu den nächstgelegenen Masseflächen (Lagen 4 und 9) kann durch Entkopplungskondensatoren umgesetzt werden. Man würde in der Regel erwarten, dass ein Nahfeld-EMI-Problem in dieser Region auftritt, da zwischen PLL_1V8 und den nächstgelegenen GND-Netzen auf den Lagen 4 und 9 eine geringe Zwischenlagenkapazität besteht.

Das PLL_1V8-Netz in dem Mini-PC ist in Abbildung 1 dargestellt. In diesem Bild sehen wir einen Bereich im Leiterplattenlayout, in dem mit dem EMI-Scanner in SIwave unterbrochene Rückwege für die DDR4-Netze identifiziert wurden. Der hervorgehobene Bereich in Abbildung 1 ist das PLL_1V8-Netz.

Nahfeld-EMI-Simulation
Abbildung 1: PLL_1V8-Netz, gekennzeichnet durch fehlende Entkopplungskondensatoren.

Nachdem der EMI-Scanner dieses Netz zur weiteren Überprüfung markiert hat, können fortschrittlichere Techniken verwendet werden, um zu überprüfen, ob dieser Verstoß gegen die EMI-Designregel ein signifikantes Problem im Design verursacht. Zu diesem Zweck können wir SIwave verwenden:

  1. Wir identifizieren Widerstands-Antiresonanzen im PLL_1V8-Bereich des Stromversorgungsnetzes (Power Delivery Network, PDN), da diese durch Verschiebungsströme angeregt werden können, und
  2. Wir simulieren die im Nahfeld abgestrahlte EMI vor und nach der Behebung des Rückwegproblems.

Schauen wir uns dies mit Hilfe der Simulations-Tools in SIwave etwas genauer an.

Anpassung potenzieller EMI-Frequenzen an PDN-Antiresonanzen

Der hybride Solver in SIwave kann verwendet werden, um breitbandige Z-Parameter für das PLL_1V8-Netz zu extrahieren. Damit können dann jegliche Antiresonanzen im Z-Parameter-Spektrum identifiziert werden. In diesem Fall können PDN-Resonanzen angeregt werden, wenn ihre Frequenz in die Bandbreite des Verschiebungsstroms fällt, was ein starkes Schwingen auf dem PDN erzeugen würde. Dies würde dann ein starkes elektrisches Feld im Nahfeldbereich bei der PDN-Antiresonanzfrequenz ausstrahlen.

Abbildung 2 zeigt die extrahierte Eigenimpedanz für das PLL_1V8-Netz von 100 kHz bis 4 GHz. Beachten Sie, dass auch andere elektromagnetische Ansys-Solver verwendet werden können, um andere Z-Parameter für ein komplexes PDN mit mehreren Ein- und Ausgängen zu extrahieren, z. B. den Transferwiderstand zwischen PLL_1V8 und einer beliebigen anderen Versorgungsfläche.

Eigenimpedanz im Liniendiagramm
Abbildung 2: Eigenimpedanz des PLL-1V8-Netzes, extrahiert mit SIWave.

Der PLL_1V2-Teil des PDN weist eine starke Resonanz bei 8 MHz auf. Daher besteht der nächste logische Schritt darin, die Nahfeld-Strahlungsemissionen um diese Frequenz herum zu untersuchen. Anstatt zu versuchen, unterbrochene Rückwege im Zeitbereich zu modellieren, können Nahfeld-Strahlungsemissionen auf der gesamten Leiterplatte direkt im Frequenzbereich mit der Option „AC Solver“ in SIwave simuliert werden.

Ergebnisse der Nahfeld-EMI-Simulation

In Abbildung 3 sehen Sie einige Ergebnisse der ersten Nahfeldsimulation aufgrund von Rückströmen, die im PLL_1V8-Netz induziert werden. In dieser Abbildung ist deutlich eine starke Emission in der Nähe von Q4 zu erkennen, das das Netz der PLL_1V8-Versorgungsfläche mit Strom versorgt (oberer rechter Teil der in Abbildung 3 dargestellten Region). Das strahlende elektrische Feld (Größe) aus dieser Region ist um einige Größenordnungen größer als das elektrische Hintergrundfeld in der restlichen Leiterplatte. Wir sehen auch, dass diese starke EMI mit 580 MHz strahlt, was genau der PDN-Antiresonanz entspricht.

Simulierte Nahfeld-EMI ohne Entkopplungskondensatoren
Abbildung 3: Simulierte Nahfeld-EMI-Verteilung am Eingang zum PLL_1V8-Netz.

Daraus ergeben sich zwei mögliche Lösungen zur Reduktion der vom PLL_1V8-Netz abgestrahlten EMI:

  1. Erhöhung der seitlichen Größe des Versorgungs-/Massenflächenpaars, um eine höhere Zwischenlagenkapazität zu bieten
  2. Änderung des Lagenaufbaus, sodass die DDR-Netze nicht auf die Versorgungsfläche referenzieren
  3. Hinzufügen von Entkopplungskondensatoren mit hoher Eigenresonanzfrequenz zur Oberflächenlage, um die Antiresonanz im PDN zu dämpfen

Die dritte Option ist am einfachsten, da die ersten beiden in einem fertigen Layout möglicherweise umfangreiche Änderungen erfordern. Nach dem Hinzufügen von Entkopplungskondensatoren kann die Simulation erneut durchgeführt und die Ergebnisse können verglichen werden. Abbildung 4 zeigt eine Simulation der Mini-PC-Leiterplatte nach dem Hinzufügen von Entkopplungskondensatoren auf dem PLL_IV8-Netz in Altium Designer.

Simulierte Nahfeld-EMI mit Entkopplungskondensatoren
Abbildung 4: Simulierte Nahfeld-EMI-Verteilung nach dem Hinzufügen von Entkopplungskondensatoren.

Dieses Ergebnis zeigt, dass das abgestrahlte elektrische Feld bei 580 MHz im Nahfeldbereich durch das Hinzufügen von Entkopplungskondensatoren zum PDN um ca. 70 % reduziert wird. Durch die Lösung dieses PDN-Problems wird nicht nur ein Nahfeld-EMI-Problem gelöst. Es werden auch das Phasenrauschen/der Jitter verringert, die mit anderen Komponenten gekoppelt sind, die mit dem PLL_1V8-Netz verbunden sind.

Zusammenfassung

Das Mini-PC-Beispielprojekt in Altium Designer wurde in Ansys SIWave untersucht, um potenzielle EMI-Probleme im Nahfeld zu ermitteln. Ein schwerwiegendes Problem mit Nahfeld-Strahlungsemissionen wurde gefunden und gelöst. Durch die Identifizierung von PDN-Resonanzen in SIWave und das Hinzufügen einiger Entkopplungskondensatoren zum PDN in Altium Designer wurde der PDN-Widerstand bei der höchsten Antiresonanzfrequenz reduziert. Hierdurch konnte das abgestrahlte elektrische Feld im Nahfeldbereich um ca. 70 % reduziert werden.

Aufgrund der Integration von Ansys SIwave und Altium Designer sind solche Post-Layout-Simulationsworkflows schnell und einfach – dank der EDB-Exporter-Erweiterung von Altium Designer. Leiterplattendesigner können diese Integration nutzen, um moderne Leiterplatten zu erstellen und schnell multiphysikalische Post-Layout-Simulationen für ihre Designs durchzuführen.

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Die Vorbereitung und Durchführung von 3D-Nahfeld-EMI-Simulationen mit echten Leiterplatten ist kompliziert, wenn man nicht über die richtigen Design- und Analysewerkzeuge verfügt. Altium Designer® kann über die Erweiterung „Ansys EDB Exporter“ mit Ansys SIwave® verbunden werden. So können Sie einfache und dennoch leistungsstarke Power- und Signalintegritäts- sowie EMI-Analysen im Zeit- oder Frequenzbereich mit verschiedenen 3D-Feldlösern durchführen.

Über den Autor / über die Autorin

Über den Autor / über die Autorin

Zachariah Peterson verfügt über einen umfassenden technischen Hintergrund in Wissenschaft und Industrie. Vor seiner Tätigkeit in der Leiterplattenindustrie unterrichtete er an der Portland State University. Er leitete seinen Physik M.S. Forschung zu chemisorptiven Gassensoren und sein Ph.D. Forschung zu Theorie und Stabilität von Zufallslasern. Sein Hintergrund in der wissenschaftlichen Forschung umfasst Themen wie Nanopartikellaser, elektronische und optoelektronische Halbleiterbauelemente, Umweltsysteme und Finanzanalysen. Seine Arbeiten wurden in mehreren Fachzeitschriften und Konferenzberichten veröffentlicht und er hat Hunderte von technischen Blogs zum Thema PCB-Design für eine Reihe von Unternehmen verfasst. Zachariah arbeitet mit anderen Unternehmen der Leiterplattenindustrie zusammen und bietet Design- und Forschungsdienstleistungen an. Er ist Mitglied der IEEE Photonics Society und der American Physical Society.

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