Warum hat die Transmission Line eine kritische Länge?

Zachariah Peterson
|  Erstellt: November 4, 2019  |  Aktualisiert am: October 16, 2020
Warum hat die Transmission Line eine kritische Länge?

Traces on a blue PCB

Kennen Sie die kritische Länge der Transmission Lines dieser Leiterbahnen?

Es gibt da ein kleines Geheimnis, über das Sie in der Fachliteratur zum Leiterplattendesign meist wenig erfahren: Jede Leiterbahn auf Ihrer Leiterplatte, die ein oszillierendes analoges oder digitales Signal führt, verhält sich wie eine Transmission Line. Viele namhafte Unternehmen – darunter auch Leiterplattenhersteller – halten den Mythos aufrecht, Übertragungsleitungseffekte würden nur dann auftreten, wenn diese eine bestimmte Länge überschreitet. Tatsächlich ist das kein Schwarz-oder-Weiß-Szenario: Einige dieser Effekte werden in verschiedenen Fällen stärker hervortreten, andere wiederum werden völlig unbemerkt bleiben.

Ein wesentlicher Aspekt beim Entwurf von Transmission Lines (zu dt.  Übertragungsleitungen) ist die notwendige Impedanzanpassung – sie hat zu den Definitionen der kritischen Länge geführt. Der Wert der kritischen Länge hängt davon ab, wen Sie fragen: Bei Analog-Signalen wird die kritische Länge manchmal als 1/6 oder 1/8 der Signalwellenlänge angegeben. Ein bekannter Hersteller – den wir hier nicht nennen wollen – sagt, dass die kritische Länge genau der Viertelwellenlänge entspricht und dass die Wechselstromwiderstand der Transmission Line bei dieser Länge keine Rolle spielt. Laut einem bekannten Designer liegt die kritische Länge jedoch bei 1/20 der Signalwellenlänge. In diesem Punkt gibt es also offensichtlich große Uneinigkeit.

Bei digitalen Signalen wird diese anhand der Anstiegszeit festgelegt. Einige Konstrukteure werden sagen, dass die kritische Länge der Wert ist, der einer Laufzeitverzögerung von einem 1/10 der Signalanstiegszeit entspricht. Der oben erwähnte Hersteller nennt eine kritische Länge, die der Hälfte der Signalanstiegszeit entspricht. Zweifellos stimmen beide nicht überein und beim Zitieren dieser Werte wird typischerweise kein Kontext angegeben.

Der Mangel an praktikablen Ratschlägen in diesem Bereich ist recht interessant. Denn dieses Thema ist äußerst wichtig, um die Signal-Integrität zu gewährleisten und zu verhindern (oder sicherzustellen), dass Signale auf Leiterbahnen stehende Wellen bilden. Betrachten wir einmal genau, was die passende kritische Länge für Ihre Transmission Line ist, und wann eine Anpassung erforderlich ist.

Analysieren zur Bestimmung der richtigen Länge der Transmission Line

Zur Frage der kritischen Übertragungsleitungslänge, die für die Impedanzanpassung benötigt wird, muss die Eingangsimpedanz bestimmt werden. Diese wird von einem Signal ‘gesehen', wenn es versucht, sich auf einer Transmission Line zu bewegen. Es ist die von einem Signal gesehene stationäre Impedanz (d. h. nach Abklingen der Transienten auf null), die nicht unbedingt in jedem Fall gleich der charakteristischen Impedanz der Leitung (Wellenwiderstand) ist. Wie wir sehen werden, hängt dies von einer Reihe von Faktoren ab. Die nachstehende Gleichung zeigt die Eingangsimpedanz für eine verlustbehaftete Transmission Line:

Lossy input impedance vs. transmission line critical length

Gleichung zur Berechnung des Eingangswert für eine Transmission Line

Die Fortpflanzungskonstante (auch Ausbreitungskonstante) ist komplex, wobei der Imaginärteil die Wellenzahl des Signals ist und der Realteil alle Verluste entlang der Transmission Line umfasst. Für eine verlustfreie Leitung ist die Ausbreitungskonstante imaginär, wodurch die tanh(x)-Funktion in eine tan(x)-Funktion übergeht. Verlustbehaftete und verlustfreie Transmission Lines haben eine oszillierende Komponente in der Eingangsimpedanz. Die verlustfreie Transmission Line ist unten dargestellt:

Lossless input impedance vs. transmission line critical length

Der mathematisch versierte Konstrukteur erkennt, dass die Eingangs- gleich der Lastimpedanz ist, wenn die Übertragungsleitungslänge Null ist, unabhängig der Systemverluste. Bei einer hinreichend kurzen Transmission Line spielt der Wellenwiderstand (und die Even-/Odd-Mode, je nachdem, wie benachbarte gekoppelte Leitungen angesteuert werden) keine Rolle bei der Bestimmung des Signalverhaltens. Sie müssen sich nur um die Anpassung von Quelle und Last kümmern, um Reflexionen zu verhindern und eine maximale Leistungsübertragung zu gewährleisten.

Was ist jedoch, wenn die Leitung länger ist? Wie hoch ist die Eingangswert und wie variiert dieser mit der Länge der Leitung? Und wo liegt die Grenze, die die kritische Länge bestimmt? Die Diagramme unten zeigen den Real- und Imaginärteil für verschiedene Fälle, in denen eine Transmission Line mit 50 Ohm Wellenwiderstand und eine Quelle mit 50 Ohm Innenwiderstand verwendet wird.

Beachten Sie: Falls die Last induktiv oder kapazitiv ist, müssen wir bei diesen Berechnungen verschiedene Eingangsfrequenzen berücksichtigen. Beachten Sie auch, dass der Wellenwiderstand einer Transmission Line von ihrer Geometrie abhängt. Die Ohm’sche Last ist um verschiedene Beträge von -30 % bis +30 % ungleichmäßig verteilt. Hier habe ich einen Verlustfaktor von 0,02 und Dk = 4 gewählt.

Real part input impedance

Diagramm zum Realanteil

Imaginary part input impedance

Diagramm Imaginäranteil

Zunächst sehen wir das typische Schwingungsverhalten, wobei die Schwingung mit zunehmender Länge abklingt. Die Abklingrate über die Länge hängt von den Leitungsverlusten ab – höhere Verluste führen zu einem schnelleren Abklingen. Sollte der Trend in einem Diagramm wie oben nicht offensichtlich sein, sehen Sie ihn spätestens dann, wenn Sie das Diagramm über größere Leitungslängen auftragen.

Das untenstehende Diagramm zeigt die Größe bis zu 2 Wellenlängen. Hier ist deutlich zu erkennen, dass sich die Oszillation dem Wellenwiderstand der Transmission Line annähert.

Magnitude of the input impedance

Größe der Eingangsimpedanz

Was ist die kritische Länge der Transmission Line?

Ist die Leitung kurz, so verhalten sich Signale, als ob sie sich auf einer Übertragungsleitung nahe der Lastimpedanz liegt (die linke Seite der obigen Diagramme). Mit zunehmender Leitungslänge verhält sich die Leitung, als ob ihre Impedanz näher an ihrem Wellenwiderstand liegt. Der „Übergangs“-Bereich hängt von der Höhe der Systemverluste und der Höhe der zulässigen Fehlanpassung sowie dem Wellenwiderstand ab.

Sehen Sie es so: Angenommen, Sie passen die Quelle an den Wellenwiderstand der Transmission Line an, aber es besteht eine Fehlanpassung. Die Quelle überträgt die maximale Signalleistung über die Leitung, wobei ein Teil des Signals von der Last reflektiert wird. Die Interferenz zwischen dem reflektierten und dem eingespeisten Signal bewirkt, dass sich die Leitung so verhält, als ob ihre Impedanz gleich der Eingangswert wäre. Wenn die Transmission Line zu kurz ist, sieht die Quelle nun eine Eingangsimpedanz, die möglicherweise nicht gleich dem Wellenwiderstand ist, und sieht stattdessen etwas, das näher an der Lastimpedanz liegt. Ist die Quelle nicht an diesen Eingangswert angepasst, kommt es zu einer Reflexion zurück in die Quelle hinein, und Sie übertragen nicht die maximale Leistung über die Leitung. Wenn die Leitung lang ist, bleibt die Leitung an die Quelle angepasst, aber es gibt immer noch eine Reflexion an der Last – wir haben das gleiche Ergebnis.

Dies sollte verdeutlichen, aus welchen primären Gründen die auf denselben Wert angepasst werden sollte:

  • Die Eingangsimpedanz (die Signale nach dem Abklingen der Transienten auf Null sehen) ist genau der Wellenwiderstand, wenn die Leitung und die Last angepasst sind, unabhängig von der Leitungslänge. Dies ist in der flachen grauen Linie oben dargestellt.
  • Der Reflexionsfaktor ist Null. Sie brauchen sich über eine stufenförmige Erhöhung der Spannung, die an der Last zu sehen ist (bei digitalen Signalen), keine Gedanken machen. Bei analogen Signalen hingegen brauchen Sie sich keine Sorgen über stehende Wellen machen, die sich auf der Leitung bilden.
  • Die maximale Leistung wird über die Transmission Line auf die Last übertragen.

Wie viel Fehlanpassung ist erlaubt?

Eine gewisse Fehlanpassung lässt sich erkennen: Das Maß der zulässigen Fehlanpassung hängt von der zulässigen Pegelschwankung ab, die man in der Eingangsimpedanz abweichend von der Lastimpedanz tolerieren kann. Im Diagramm, das den Realteil der Eingangsimpedanz zeigt, sehen wir, dass eine Änderung von etwa 10 % auftritt, wenn die Leitungslänge etwa 1/10 der Wellenlänge beträgt. Wenn Ihre tolerierbare Abweichung 10 % beträgt, dann ist Ihre kritische Länge ungefähr 1/10 der Wellenlänge. In diesem Fall brauchen Sie sich nur um die Anpassung der Quelle an die Last zu kümmern, und der Wellenwiderstand kann praktisch ignoriert werden.

Da die Abklingrate in der Kurve auch empfindlich auf Systemverluste reagiert, gilt dies ebenso für die kritische Länge. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, multiplizieren wir die Systemverluste mit dem Faktor 10. In diesem Fall sehen wir, dass der Übergang auf den Wert des Wellenwiderstands der Leitung viel schneller erfolgt.

Magnitude of the input impedance with greater losses

Größe mit 10x höheren Verlusten

Was ist mit digitalen Signalen?

Bei digitalen Signalen können Sie das Signal in seine Fourier-Komponenten zerlegen und jede Komponente einzeln analysieren – aber das ist eine mühsame Übung. Das Problem mit dem Frequenzgehalt eines digitalen Signals besteht darin, dass sich seine harmonischen Komponenten theoretisch bis ins Unendliche ausdehnen, sodass Sie drei Möglichkeiten zur Analyse digitaler Signale haben:

  • Arbeiten Sie mit den Leitungsgleichungen im Frequenzbereich und berechnen Sie die Fehlanpassung für jede Frequenzkomponente.
  • Arbeiten Sie mit den Leitungsgleichungen im Zeitbereich, indem Sie eine stufenförmige Spannungs-/Stromquelle definieren.
  • Verwenden Sie in der obigen Analyse eine einzelne Grenzfrequenz.

Die Behandlung der ersten beiden oben genannten Punkte erfordert einen eigenen Artikel. Wir heben es uns für ein zukünftiges Thema auf. Der dritte Punkt veranschaulicht den Grund dafür, warum die Grenzfrequenz manchmal zur Analyse von Transmission Lines verwendet wird. Die Grenzfrequenz (auch als 3dB-Frequenzbandbreite oder Eckfrequenz bezeichnet) entspricht 0,35 geteilt durch die Signalanstiegszeit. Sobald Sie die Eingangsimpedanz und die kritische Länge bestimmt haben, die Ihren Designanforderungen bei der Grenzfrequenz entsprechen, sollten Sie in der Lage sein, zu sehen, wie der Oberwellengehalt bei niedrigeren Frequenzen beeinflusst wird.

Hier haben wir das Überschwingen bei einem digitalen Schaltsignal nicht näher erörtert. Hierzu muss die Spannungsänderung entlang der Leitung berücksichtigt werden, die in Bezug auf die Änderungsrate des Eingangssignals in der Zeit (d. h. die Anstiegszeit) umschrieben werden kann. Wie wir in einem früheren Artikel gesehen haben, wird es auf einer angepassten Übertragungsleitung immer ein gewisses Maß an Überschwingen geben, es sei denn, Sie fügen einen Vorwiderstand an der Quelle hinzu und/oder Sie ändern die Induktivität der Leitung, um die Dämpfung zu erhöhen. Das würde als Signalantwort dem aperiodischen Grenzfall entsprechen, auch wenn Sie einen gewissen Leistungsverlust in Kauf nehmen.

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Über den Autor / über die Autorin

Über den Autor / über die Autorin

Zachariah Peterson verfügt über einen umfassenden technischen Hintergrund in Wissenschaft und Industrie. Vor seiner Tätigkeit in der Leiterplattenindustrie unterrichtete er an der Portland State University. Er leitete seinen Physik M.S. Forschung zu chemisorptiven Gassensoren und sein Ph.D. Forschung zu Theorie und Stabilität von Zufallslasern. Sein Hintergrund in der wissenschaftlichen Forschung umfasst Themen wie Nanopartikellaser, elektronische und optoelektronische Halbleiterbauelemente, Umweltsysteme und Finanzanalysen. Seine Arbeiten wurden in mehreren Fachzeitschriften und Konferenzberichten veröffentlicht und er hat Hunderte von technischen Blogs zum Thema PCB-Design für eine Reihe von Unternehmen verfasst. Zachariah arbeitet mit anderen Unternehmen der Leiterplattenindustrie zusammen und bietet Design- und Forschungsdienstleistungen an. Er ist Mitglied der IEEE Photonics Society und der American Physical Society.

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