ABCD-Parameter und ihre Vorteile für die PCB-Analyse

Zachariah Peterson
|  Erstellt: October 23, 2020  |  Aktualisiert am: February 9, 2023
ABCD-Parameter und ihre Vorteile für die PCB-Analyse

In einem typischen Lehrbuch für Mikrowellenelektronik stoßen Sie vermutlich auf eine Reihe von Parametern zur Beschreibung von N-Port-Netzwerken. Darunter etwa S-, ABCD- und H-Parameter - wovon sich alle einen Platz in PCB-Design und -Analyse verdient haben. Heutzutage sind viele wichtige Konzepte aus der ursprünglich analogen Signalintegrität noch immer relevant für die Bestimmung der digitalen Signalintegrität. Die zunächst von der „Microwave Community“ verwendeten Analysewerkzeuge müssen nun jedoch in die digitale Realität übertragen werden.

Hierbei spielen gerade S- und anwendungsorientierte ABCD-Parameter eine Rolle. Diese beiden Arten von Netzwerkparametern ermöglichen es Designern, schnell und einfach das Signalverhalten in N-Port-Netzwerken zu beschreiben - obwohl die meisten Beispiele nur als 2-Port-Netzwerke dargestellt werden. Denn die Parameter selbst können untereinander konvertiert werden, ähnlich wie bei anderen Übertragungsleitungsparameter. Die Zeit wiederum, die Sie normalerweise für die Vorhersage und Analyse des Signalverhaltens benötigen, kann durch die Nutzung von ABCD-Parametern erheblich verkürzt werden, gerade hinsichtlich Schaltungen und Verbindungen. In diesem Artikel zeige ich Ihnen einige Vorteile von ABCD-Parametern und gehe auch darauf ein, warum Sie lieber diese anstelle von S-Parametern verwenden sollten.

Was sind ABCD-Parameter?

ABCD-Parameter (auch als Übertragungsparameter bekannt) stellen eine Reihe einfacher Gleichungen dar, welche die Spannung und den Strom am Eingang eines N-Port-Netzwerks in Verbindung bringen mit der Spannung und dem Strom, der wiederum am Ausgang des Netzwerks gemessen wurde. Ich gebe zu, diese Definition ist ein bisschen langatmig, und klingt auch noch sehr nach S-Parametern. Tatsächlich können S-Parameter auch anhand von ABCD-Parametern berechnet werden und umgekehrt. Trotz allem sind diese beiden Arten von Parametern sowohl konzeptionell als auch mathematisch unterschiedlich. Die Definition einer ABCD-Parameter-Matrix für ein 2-Port-Netzwerk ist hier folgend einmal dargestellt.

Gleichung für ABCD-Parameter
Definition von ABCD-Parametern in einem 2-Port-Netzwerk.

ABCD-Parameter sind überraschend einfach zu berechnen, sowohl für einzelne Schaltkreiselemente in einem Netzwerk als auch für phänomenologische Modelle (Modelle, die ein konkretes Verhalten beschreiben). Wenn Sie eine gute Ressource suchen, die Informationen zu S-und ABCD-Parametern bietet und das sogar für eine Vielzahl verschiedener 2-Port-Netzwerken, dann werfen Sie doch einfach einen Blick auf dieses Dokument von Caspers. Es ist eine hervorragende Ressource für das Design von Mikrowellenschaltkreisen und Übertragungsleitungen.

Warum sollte man ABCD-Parameter anstelle von S-Parametern verwenden?

Offen gesagt, fast jede Diskussion, die ich über S-Parameter-Definitionen für 2-Port-Netzwerke gesehen habe, endet letztlich in inkonsistenten Gleichungen. Das soll nicht heißen, dass sie alle falsch liegen. Vielmehr sind die Beschreibungen von S-Parametern für sehr spezifischer Systeme definiert worden. Gerade das Fehlen von Kontext (oder sogar Diagrammen) stiftet hier eine Menge Verwirrung - besonders für Anfänger. Und selbst mich lässt es manchmal an meinem eigenen Verständnis zu diesem Thema zweifeln. Daher kommt es auch durchaus vor, dass eine S-Parameter-Definition in einem System verwendet wird, für das sie eigentlich nicht gilt. Ich sage nur so viel: Trauen Sie lieber nicht den meisten S-Parameter-Definitionen, die Sie so im Internet finden können. Denn gerade hier fehlt es oftmals am Kontext. Kontext, der wichtig ist, um zu verstehen wann und wo die entsprechende Definition gültig ist und ob sie dann überhaupt bei Ihnen angewendet werden kann.

In der nachstehenden Tabelle werden S-Parameter mit ABCD-Parametern hinsichtlich verschiedener Aspekte verglichen. Wie wir hierbei sehen können, lassen beide Parametersätze einige Informationen über das Signalverhalten weg, und es gibt zunächst einmal keinen objektiv „besten” Parametersatz, der verwendet werden sollte.

Dimension

ABCD-Parameter

S-Parameter

Anwendung

Direkte Berechnung von Strom und Spannung im Schaltungs-/Verbindungsdesign und in der Analyse

Charakterisierung von Breitbandmessungen, z. B. bei Mikrowellen-/mmWave-Verbindungen

Berechnung

Kann für jede bekannte Impedanz/Admittanz direkt berechnet werden.

Wird normalerweise in Form von anderen Parametern berechnet, kann aber direkt (S11) oder aus Ausbreitung/Verlusten (S21) berechnet werden.

Kausalität

Wird innerhalb der Übertragungsfunktion mithilfe einer Hilbert-Transformation und Trunkierung erzwungen.

Mittels Auferlegen von Bandbegrenzung, Fenstertechnik und Trunkierung

Auswertung

Strom, der in einen Port ein-/austritt, über einem Port gemessene Spannung, unabhängig von der Wellenausbreitung

Leistungsverlust/Reflexion, getragen von einer sich ausbreitenden Welle

Direktionalität

Bidirektional mit entsprechenden Vorzeichendefinitionen, ohne Berücksichtigung der Reflexion

Bidirektional an jedem Punkt, einschließlich Reflexion


Es gibt zwei Hauptgründe, weshalb Sie ABCD-Parameter anstatt S-Parametern für einige Ihre Signalintegritätsanalysen verwenden sollten: Kaskadierung und Berechnungen der Übertragungsfunktion.

Eine einfache Definition für Kaskadierung

Lange Zeit ging ich davon aus, dass der ABCD-Parameter „rückwärts“ formuliert ist, bis ich anfing, mich näher mit kaskadierten Netzwerken zu befassen. Wenn Sie sich die Definition oben einmal näher ansehen, erkennen Sie leicht, wie eine kaskadierte ABCD-Matrix erstellt werden kann: Indem nämlich einzelne ABCD-Parameter-Matrizen für verschiedene Schaltkreiselemente multipliziert werden. Die folgende Abbildung zeigt die Definition einer kaskadierten ABCD-Parameter-Matrix in Form eines 2-Port-Netzwerks, welches aus drei separaten Elementen besteht.

Gleichung für eine kaskadierte ABCD-Parameter-Matrix
Definition von ABCD-Parametern in einem 2-Port-Netzwerk.

Beachten Sie dabei, dass sich diese Definition recht großflächig anwenden lässt, so auch auf N-Port-Netzwerke oder Netzwerke mit einer beliebigen Anzahl von kaskadierten Elementen. Diese einfache Definition der Matrix-Multiplikation ist ein wesentlicher Vorteil von ABCD-Parametern. Denn für S-Parameter ist hingegen keine entsprechende Definition vorhanden. Programme, welche kaskadierte S-Parameter-Matrizen berechnen, konvertieren die Matrizen tatsächlich zunächst in ABCD-Parameter (erinnert sich jemand an MATLAB?), um daraus dann die S-Parameter für das äquivalente kaskadierte Netzwerk zu erhalten.

Wie zuvor schon erwähnt, gibt es leider keine „analoge Definition“ für die Kaskadierung von S-Parametern. Obwohl, das mag nicht immer ganz so stimmen: Es lässt sich bestimmt das ein oder andere Beispiele für S-Parameter finden, die sich vielleicht doch durch direkte Multiplikation kaskadieren lassen. Die Frage ist aber, ob diese in der Praxis und erst recht bei PCBs tatsächlich vorkommen. In der Tat sind Kanäle für Hochgeschwindigkeitssignale auf Leiterplatten in der Praxis nicht einfach durch direkte Multiplikation kaskadierbar. Denn die Reflexion ist hier nicht gleich Null und reale Übertragungsleitungen weisen durchaus Verluste auf, die wiederum nicht gleich Null setzbar sind.

Direkte Berechnung von S-Parametern, Übertragungsfunktionen und Impulsantworten

In einem hier im Blog erschienenen Artikel hebt Jason Ellison hervor, dass S-Parameter eine Art von Übertragungsfunktion mit einer bestimmten physikalischen Bedeutung darstellen. Das Gleiche gilt für die Anwendung von ABCD-Parametern, welche aufzeigen, wie Spannung und Strom in einem Netzwerk untereinander transformiert werden. Sie können jedoch auch eine standardmäßige einheitenlose Übertragungsfunktion direkt aus den ABCD-Parametern berechnen - d.h. eine Übertragungsfunktion in der Sprache des Schaltungsentwurfs.

Für ein Netzwerk mit zwei Anschlüssen (2-Port-Network), das an eine Quellenimpedanz ZS und an eine Lastenimpedanz ZL angeschlossen ist, lautet die Übertragungsfunktion des Netzwerks wie folgt:

 ABCD-Parameter Übertragungsfunktion
Definition der Übertragungsfunktion für ein 2-Port-Netzwerk in Form von ABCD-Parametern.

Bei einer Übertragungsleitung werden die ABCD-Parameter beispielsweise anhand der charakteristischen Impedanz der Leitung berechnet, wie in diesem Artikel beschrieben. Sie können die S-Parameter direkt aus den ABCD-Parametern im Artikel entnehmen oder aus dem Caspers-Artikel, den ich weiter oben verlinkt habe. Das Schöne an der obigen Formel ist, dass sie sich nicht auf eine Referenzimpedanz stützt, sondern nur auf die charakteristische Impedanz der Leitung.

Für ein N-Port-Netzwerk lässt sich eine Übertragungsfunktion theoretisch immer noch von Hand berechnen. Trotz allem liegen auch hier zumeist mehrere Übertragungsfunktionen vor, welche wiederum die Signalübertragung zwischen jedem Port-Paar definieren. Wenn die Anzahl der Ports zu groß wird, lässt sich dieses Problem kaum noch händisch lösen. Dann kann ein einfacher Rechner für lineare Gleichungen (MATLAB, Mathematica usw.) die Arbeit des Berechnens übernehmen.

Sobald Sie eine Übertragungsfunktion für ein Netzwerk (oder mehrere Übertragungsfunktionen für N-Port-Netzwerke) vorliegen haben, können Sie die Impulsantwortfunktion des Netzwerks berechnen. So können Sie simulieren, wie sich ein beliebiges Eingangssignal in Ihrem Netzwerk im Zeitbereich verhält, und zwar mittels eines einfachen Verfahrens:

  1. Konstruieren Sie ein kaskadiertes ABCD-Netzwerk durch Matrixmultiplikation unter Verwendung der im Caspers-Artikel definierten ABCD-Matrizen.
  2. Wandeln Sie die kaskadierte ABCD-Matrix in eine Übertragungsfunktion um.
  3. Wandeln Sie Ihre Übertragungsfunktion mithilfe einer Fourier-Transformation in eine Impulsantwortfunktion um. Stellen Sie sicher, dass Kausalität in der Übertragungsfunktion erzwungen wird (siehe die Referenz unten).
  4. Berechnen Sie die Faltung zwischen Ihrem Eingangs-Zeitbereichssignal und der Impulsantwortfunktion.

Wenn Sie sehen möchten, wie die Berechnung der Impulsantwortfunktion in der Praxis abläuft, lesen Sie den Artikel von Jason Ellison. Sie können auch einen Blick in diesen IEEE-Artikel werfen, um herauszufinden, wie Kausalität in einer Übertragungsfunktion erzwungen werden kann:

J. Zhang et al. „Causal RLGC(f) Models for Transmission Lines From Measured S-Parameters.” IEEE Transactions on Electromagnetic Compatibility, 2009.

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Über den Autor / über die Autorin

Über den Autor / über die Autorin

Zachariah Peterson verfügt über einen umfassenden technischen Hintergrund in Wissenschaft und Industrie. Vor seiner Tätigkeit in der Leiterplattenindustrie unterrichtete er an der Portland State University. Er leitete seinen Physik M.S. Forschung zu chemisorptiven Gassensoren und sein Ph.D. Forschung zu Theorie und Stabilität von Zufallslasern. Sein Hintergrund in der wissenschaftlichen Forschung umfasst Themen wie Nanopartikellaser, elektronische und optoelektronische Halbleiterbauelemente, Umweltsysteme und Finanzanalysen. Seine Arbeiten wurden in mehreren Fachzeitschriften und Konferenzberichten veröffentlicht und er hat Hunderte von technischen Blogs zum Thema PCB-Design für eine Reihe von Unternehmen verfasst. Zachariah arbeitet mit anderen Unternehmen der Leiterplattenindustrie zusammen und bietet Design- und Forschungsdienstleistungen an. Er ist Mitglied der IEEE Photonics Society und der American Physical Society.

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