S-Parameter werden selbst von unerschrockenen HF/SI/PI-Ingenieuren häufig missverstanden. Auch ich selbst stelle mein Verständnis hier manchmal in Frage. Zwar gibt es zahlreiche Online-Hilfen mit verschiedenen Definitionen und Erklärungen gibt, jedoch gelten diese alle für unterschiedliche Systeme, weshalb dieser eigentlich nützliche Satz von Signalintegritätsmetriken oft missverstanden wird. Darüber hinaus werden S-Parameter manchmal synonym mit Begriffen wie etwa Rückflussdämpfung, Einfügedämpfung und Reflexionskoeffizient verwendet, und auch das oft ohne den richtigen Kontext.
Es scheint hier gelegentlich Verwirrung zu geben, insbesondere bezüglich zwei Bereichen: Zum einen hinsichtlich des Unterschiedes zwischen Rückflussdämpfung und Reflexionskoeffizient, zum anderen bezüglich deren Zusammenhanges mit S11-Parametern. Ein wichtiger Punkt dabei ist der folgende: Alle diese Größen beschreiben die Reflexion einer sich ausbreitenden Welle an einer Last – sei es eine abgeschlossene Übertragungsleitung oder ein Schaltungsnetz. Schauen wir uns die verschiedenen Definitionen nun einmal näher an und achten besonders darauf, ab wann sie einander wirklich entsprechen.
Da S11 manchmal synonym zur Rückflussdämpfung und dem Reflexionskoeffizient verwendet wird, stellt sich uns die Frage, ob man diese wirklich jemals miteinander gleichsetzen kann. Die Antwort: sie heben sich tatsächlich manchmal gegenseitig auf, und ja, manchmal sind die Beträge aller drei Größen gleich groß - aber nur in ganz bestimmten Fällen und bei spezifischen Frequenzbereichen. Die unten dargestellten Formeln definieren die Rückflussdämpfung in Bezug auf den Reflexionskoeffizienten:
Wenn der Reflexionskoeffizient Γ < 1, dann nimmt die Rückflussdämpfung einen positiven dB-Wert an. Wenn wir uns einmal das Diagramm einer Rückflussdämpfungsformel genauer ansehen, fällt auf, dass das negative Vorzeichen oft weggelassen und manchmal eben synonym mit dem S11-Parameter verwendet wird. Formal gesehen stellt S11 das Negativ der Rückflussdämpfung dar und hat folglich auch einen negativen dB-Wert:
Bei Übertragungsleitungen wird S11 oft gleichgesetzt mit dem Reflexionskoeffizienten zwischen der Quelle/Last und dem Wellenwiderstand der Übertragungsleitung; dies geschieht wahrscheinlich aufgrund der Art der Darstellung der Daten in Diagrammen. Dieses Vorgehen ist allerdings nur im Falle einer langen Übertragungsleitung richtig. Im Allgemeinen benötigen wir stets die Eingangsimpedanz der Leitung, diese kann dabei durchaus in bestimmten Schaltkreisnetzwerken (bei kurzen Übertragungsleitungen) mit der Lastimpedanz gleichgesetzt werden. Wie wir jedoch weiter unten noch sehen werden, weisen Schaltungen mit sich ausbreitenden Wellen einen S11-Parameter auf, der schließlich in Richtung des Reflexionskoeffizienten konvergiert.
Wenn wir uns mit S-Parametern befassen, gehen wir normalerweise von realen Quellen, Lasten sowie Referenzimpedanzen aus. In Wirklichkeit sind Lastimpedanzen aber nicht immer real. Zudem weist die Eingangsbandbreitengrenze eines realen E/A auf einer integrierten Schaltung auch eine gewissen Reaktanz auf – Grund hierfür sind die Eingangskapazität sowie Gehäuseparasiten.
In diesem Artikel erhalten Sie mehr Informationen hinsichtlich der obigen Thematik und im Speziellen der Rolle des Reflexionskoeffizienten.
Wenn Sie einmal für ein bestimmtes Schaltkreisnetzwerk eine Formel für S11 benötigen, schauen Sie sich am besten zunächst die ABCD-Parameter an. Denn es gibt eine universelle Formel für die Konvertierung zwischen ABCD- und S-Parametern. Sobald Sie die S-Parameter für einen Kanal bestimmt haben, können Sie die Rückflussdämpfung anhand der oben angegebenen Formel bestimmen.
Hier ist Z die Referenzimpedanz für den eingehenden Port (Spalte 1 --> Port 1 und Spalte 2 --> Port 2) – die Impedanz soll in den oben genannten Fällen gleiche Werte aufweisen. In diesem Artikel von Caspers (ab Seite 87) finden Sie ABCD-Parameter für einige gängige 2-Port-Netzwerke, einschließlich Übertragungsleitungen. Eine einfache Definition des S11-Parameters kann etwa wie folgt lauten:
Wenn unterschiedliche Portimpedanzen vorliegen, gilt folgendes:
Letztendlich können wir mit jeder der oben genannten Gleichungen den Parameter S11 berechnen. Beachten Sie, dass im obigen Beispiel der Wert Z01 die Referenzimpedanz für Port 1 darstellt und Z02 die Referenzimpedanz für Port 2. Zusammen ermöglichen diese Werte eine umfassende Definition des Kanalverhaltens.
Wichtig ist hier, dass der Parameter S11 nicht immer dem Reflexionskoeffizienten zwischen einer Quellenimpedanz und der Impedanz eines einzelnen Elements entspricht. Da wir es hier mit einer Eingangsimpedanz zu tun haben, müssen wir die Impedanz aller anderen Elemente im Schaltkreisnetzwerk berücksichtigen. Es reicht in diesem Fall also nicht aus, nur die Impedanz vom ersten Element, welches im Netzwerk angetroffen wird, zu beachten. Der Parameter S11 beschreibt dabei immer noch die Reflexion, es wird nur die Eingangsimpedanz und nicht die Wellenimpedanz verwendet. Als ein wichtiges Beispiel schauen wir uns einmal S11, die Rückflussdämpfungsformel und den Reflexionskoeffizienten bei einer Übertragungsleitung an, welche mit einer bekannten Impedanz endet. Wenn wir die Leitung verlängern, können wir hier sehen, wie der Wert von S11 mit dem typischen Reflexionskoeffizienten zwischen der Quellenimpedanz und der Wellenimpedanz konvergiert. Wann genau dies passiert, können Sie selbst nachvollziehen, indem Sie die unterschiedlichen Werte für verschiedene Leitungslängen vergleichen.
Als Beispiel habe ich hier eine einfache Berechnung mit einer Methode durchgeführt, auf welche ich in meinem kommenden IEEE-EPS-Artikel näher eingehen werde (weitere Details zu dieser Konferenz finden Sie hier).
Hier habe ich einmal S11 für drei Übertragungsleitungen mit Streuung im dielektrischen Substrat simuliert. Alle drei Leitungen sind soweit identisch, nur hinsichtlich ihrer Längen unterscheiden sie sich. Die Leitungen sind dabei mit einer passenden Quelle und Last (50 Ohm Nennimpedanz) bei einer Lastkapazität von 1 pF angeschlossen. Zum Vergleich habe ich zudem eine Berechnung des Reflexionskoeffizienten mittels Standardformel hinzugefügt. Die Ergebnisse werden unten angezeigt.
Die Ergebnisse dieser Berechnung sind ziemlich interessant. Zunächst sehen wir, dass ein Signal auf der kurzen Leitung (25 cm), mit einem großen Missverhältnis bei der kapazitiven Last, einige starke Resonanzen über ~500 MHz erfahren kann, was wiederum zu starken Schwingungen führt. Mit anderen Worten: Bei über ~500 MHz wirkt die Leitung bei bestimmten Frequenzen als Resonanzhohlraum. Wenn die Leitung physisch länger ist, können wir zudem sehen, ab wann die Leitung sozusagen „elektrisch“ lang wird. Denn hier zeigen sich Resonanzen bei höheren Frequenzen (siehe die 2,5-m-Leitung). Außerdem ist die Stärke der Resonanzen geringer.
Wenn wir uns die 25-m-Leitung ansehen (nebenbei bemerkt, das ist ein extrem langer Kanal für eine Leiterplatte, der nur durch eine Kabel- oder Wellenleiterschnittstelle sichtbar würde), wird klar, dass der S11-Parameter fast identisch mit dem Reflexionskoeffizienten ist. Die Kurve des Reflexionskoeffizienten überschneidet sich dabei fast vollständig mit der S11-Kurve (in grau). Die einzige Ausnahme besteht bei ~18-20 GHz, hier sehen wir eine Reihe von S11-Resonanzen. Ich habe diesen Bereich in der Grafik unten vergrößert.
Daraus lassen sich einige Schlussfolgerungen ziehen:
Warum sollten wir aber überhaupt verschiedene Leitungslängen vergleichen? Aus den oben gezeigten Gleichungen sollte deutlich geworden sein, dass der Reflexionskoeffizient nicht von der Leitungslänge selbst abhängt. Dieses deutet darauf hin, dass wir möglicherweise eine Beziehung zwischen S11 und dem Reflexionskoeffizienten ableiten können; allerdings nur, wenn die Leitungslänge aus dem S11-Parameter entfernt werden kann. Die allgemeine Formel für S11 unter der Annahme unterschiedlicher Referenzimpedanzen für Eingangsport (ZS) und Ausgangsport (ZL) ist:
Indem wir Grenzen auf Null und Unendlich setzen, können wir sehen, wo S11 zur Rückflussdämpfung führt und zum Reflexionskoeffizienten konvergiert. Ausgehend von S11 bezogen auf die ABCD-Parameter der Leitung (siehe obigen Artikel von Caspers) können wir |S11| als Grenze annehmen für eine Leitung mit Wellenimpedanz Z0 und der Impedanz des Eingangsports ZS (angenommen ZL = ZS und diese sind auf die Referenzimpedanz festgelegt):
Wenn die Länge der Leitung gegen unendlich geht, ist zu beachten, dass die Wellenimpedanz der Leitung zur Lastimpedanz wird. Dies veranschaulicht sehr schön, warum wir das oben dargestellte Verhalten sehen und wie sich der S11-Parameter der Übertragungsleitung in Richtung des Reflexionskoeffizienten und Rückflussdämpfung reduziert.
Beachten Sie, dass dies vor allem am Eingangsport (Port #1) Anwendung findet. Wir können die gleiche Grenze aber auch am Ausgangsport (Port #2) annehmen und kommen so zum selben Ergebnis für S22, ausgehend vom hinteren Ende der Übertragungsleitung. Außerdem stimmt S11 mit S22 auch dann überein, wenn die beiden Seiten der Leitung mit exakt derselben Impedanz abgeschlossen sind, so dass wir für beide Grenzwerte das gleiche Ergebnis erhalten. Das funktioniert gut und zeigt schön, wo S11 und S22 mit der Formel für die Rückflussdämpfung im Vergleich zum Reflexionskoeffizienten an jedem Port übereinstimmen.
Indem wir hier denselben Grenzwert verwenden, können wir schließlich anhand der Definition des Reflexionskoeffizienten mit der Quellenimpedanz und der Eingangsimpedanz der Übertragungsleitung zum obigen Ergebnis zurückkehren. Dies ist möglich, weil die Eingangsimpedanz der Leitung zur Wellenimpedanz konvergiert, wenn die Leitungslänge ins Unendliche geht.
Konzeptionell bedeutet dies, dass die Leitung wie eine isolierte Quellenimpedanz funktioniert, um eine Reflexion an der Lastimpedanz zu erzeugen - wenn die Leitung extrem lang ist. Schaltet man diese um, funktioniert die Leitung wie eine sehr lange Last am Eingangsport. Umso länger diese Leitung wiederum ist, umso mehr nähert S11 sich seinem Reflexionskoeffizienten an. Sie können dieses Ergebnis dann verwenden, um die numerischen Ergebnisse der integrierten Simulationsfunktionen in Altium Designer® zu interpretieren. Altium Designer® ermöglicht es Ihnen, genaue Impedanzprofile für Ihre Leiterplatte zu erstellen und Zeitbereichs-Wellenformen für Signale zu simulieren.
Sobald Sie Ihr Design qualifiziert haben, können Sie die Designdaten auf der Plattform Altium 365® teilen. Dieses ermöglicht Ihnen nicht nur Daten zentral zu verwalten, sondern auch mit Ihrem Team effektiv zusammenzuarbeiten - all dies schon während des eigentlichen Designprozesses. Wir haben hier nur an der Oberfläche dessen gekratzt, was mit Altium Designer auf der Altium 365-Plattform möglich ist. Besuchen Sie unsere Produktseite für detaillierte Beschreibungen der Funktionen oder nehmen Sie an einem unserer On-Demand-Webinare teil.